Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen
Afrika zu sehen bekäme“, meinte ich. Frau Robinson nickte.
„Ja, aber dazu gehört viel Glück. Und die meisten Menschen, glaube ich, denken nicht daran, was für entzückende Geschöpfe in Höhlchen und Bäumen leben. Sie fahren nach Afrika, um Löwen und Elefanten zu sehen, und vergessen.“
„die kleinen Feinheiten der Natur?“ schlug ich vor.
Sie lächelte.
„So kann man es vielleicht ausdrücken. Nanu, Sie seufzen so tief, Frau Brunner?“
„Oh, tat ich das? Ich dachte nur an meinen Mann, der so wahnsinnig gern grade das Kleingetier studieren möchte. Die Nager und Schläfer, ja, und auch die kleineren Raubtiere - und die Kleinböckchen und so was alles.“
Wieder bekamen die schönen Augen von Frau Robinson diesen
wachen, interessierten Ausdruck.
„Wirklich? Ist das sein Wunsch? Ach, ich glaube, es ist soweit, wir müssen einsteigen!“
Ein merkwürdiges Gefährt, eine Kreuzung zwischen Bus und Landrover, wartete auf uns. Im Führerhaus saß ein großer, kräftiger Mann mit einem imposanten roten Vollbart in seinem sonnenbraunen Gesicht. An seiner einen Seite hatte er ein großes Gewehr, an der anderen saß ein Junge von 13 bis 14 Jahren, sehr europäisch anzusehen.
Es war schön, daß wir alle nun in einem Wagen waren. Jetzt konnte ich abschalten und meinem geplagten Mann die ganze Führung überlassen.
Es ging aufwärts, auf einem schmalen, steinigen Weg, und es wurde immer enger. Ja, jetzt waren wir wirklich im afrikanischen Busch.
Nach einer Weile hielt unser Rotbart an. Der kleine Junge sprang hinaus, holte etwas aus einem seitlich angebrachten Gepäckraum und fummelte mit einer langen Leine. Ich beugte mich raus. Da sah ich es: Er hatte einen riesengroßen Fleischbatzen an der Leine befestigt, und als wir jetzt weiterfuhren, schleppten wir ihn mit. Klar! So lockten sie die Leoparden an!
Der Weg wurde noch enger - noch enger - , der Buschwald an beiden Seiten noch dichter - , und dann hielt der Wagen. Der Rotbart nahm sein Gewehr, sammelte uns, wie eine besorgte Henne ihre Küken sammelt, und erklärte, wir müßten alle ganz dicht hinter ihm bleiben.
Nur wenige Schritte, dann tauchte ein hölzernes Haus auf. Es erinnerte mich lebhaft an eine norwegische Skihütte im Gebirge. Nur die Umgebungen waren anders. So ganz anders. All dies Dichte, Dunkelgrüne - was mochte wohl darin alles leben, vielleicht nur ein paar Meter von uns entfernt?
Um das ganze Haus ging eine Art Veranda, breit und geräumig. Von dieser Veranda führten viele kleine Türen in die Schlaf räume -ja, das waren winzige Kabäuschen, ohne Fenster, mit einem ganz kleinen Tisch und zwei schmalen Bettstellen, das war alles. Ich bezweifelte aber sehr, daß wir dazu kommen würden, die Betten zu benutzen. Vielleicht würden wir die ganze Nacht aufbleiben und auf die herrlichen gefleckten Großkatzen warten.
In der Mitte des Hauses war ein großer Aufenthaltsraum, wo zwei lange Tische gedeckt waren. Wir hatten eben noch Zeit, uns die
Hände zu waschen und die Haare zu kämmen, und schon gab es Abendessen.
Rotbart saß am Tischende, seine wachen Augen paßten auf, daß alles reibungslos verlief. Freundliche schwarze Stewards stellten die Suppenteller auf. Dann räusperte sich Rotbart und sprach uns an, übrigens in einem so vorbildlich schönen Englisch, daß man es mühelos verstehen konnte.
Er erklärte uns, wie dieses Haus entstanden war, was man damit bezweckte und wie wir uns verhalten müßten, um das Wild, vor allem die Leoparden, zu sehen zu bekommen. Dazu brauchten wir zweierlei: Geduld - und absolute Ruhe! Kein Sprechen, keine Geräusche - und wir müßten darauf gefaßt sein, daß die Leoparden vielleicht erst um Mitternacht kämen, vielleicht noch später. Manchmal kämen sie schon gegen 21 Uhr, manchmal gegen 4 Uhr morgens „and sometimes they don’t come at all!“ Ja, wir hatten ja auch da unten im Hotel bei dem Buschbaby ein Papier unterschreiben müssen: Wir verpflichten uns dazu, niemanden verantwortlich zu machen, falls wir keine Leoparden zu sehen bekämen!
Mit anderen Worten, wir waren riesig gespannt.
Nach dem sehr guten Essen und einer Tasse vorzüglichem Kenya-Kaffee vor dem offenen Kamin bezogen wir also Wache auf der Veranda. Jetzt hatten wir Gelegenheit, alles richtig zu studieren: die vielen riesengroßen Scheinwerfer, an die die Tiere sich gewöhnt hatten und die es uns ermöglichten, zu filmen und zu fotografieren. All die bequemen Sessel, das durchlaufende Abstellbord mit
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