Saat der Lüge
aßen Kuchen und tranken Tee und brüllten vor Lachen, als Mike sagte: »Und wieder lässt Enid Blyton grüßen. Wir brauchen nur noch einen Hund. Lasst uns für den Nachmittag irgendwo einen mopsen!«
Und er schaffte es tatsächlich, einen Collie dazu zu bringen, nach dem Schinken aus seinem belegten Brötchen zu springen. Dann verfolgte er mich über die Wiese und jagte mir mein letztes Rolo ab. Unser Verhalten kam uns so selbstverständlich vor, so harmlos. Cora schien es nichts auszumachen. Warum auch? Alles andere gehörte doch ihr, all die Teile von ihm, die wirklich zählten, was war also schlimm daran, wenn ich hin und wieder kleine Häppchen von ihm abbekam?
Wir waren sechs Jahre getrennt gewesen, aber sobald Cora und Mike zurück in Cardiff waren, nahmen Mike und ich unsere alten Gewohnheiten wieder auf. Wenn Cora zu einem Elternabend oder einer Schulaufführung musste, gingen Mike und ich zusammen ins Kino, meist um uns irgendeine Literaturverfilmung anzusehen. Wir waren das unschuldigste Duo, das man sich vorstellen konnte, saßen getrennt voneinander in der Dunkelheit, ohne uns zu berühren. Wir flüsterten nur und kicherten und teilten uns Popcorn.
Danach holten wir uns manchmal noch eine Tüte Pommes frites und gingen beschwingt zu Fuß nach Hause, wo er mich hereinbat, um mir ein Taxi zu rufen.
Wenn Cora dann schläfrig in ihrem Designer-Bademantel aus dem Schlafzimmer kam und uns Kaffee machte, um die Wartezeit zu überbrücken, erzählten wir ihr den ganzen Film mit allen Höhen und Tiefen, hoben einzelne Drehbuchelemente und Kameratechniken hervor, fielen uns kichernd ins Wort und beendeten die Sätze des anderen, während Mike immer wieder auf den Tisch schlug und Dinge sagte wie »Ja, das war echt Wahnsinn!« oder »Du hast ja so recht, Lizzy!«.
Cora lächelte nachsichtig und war die perfekte Zuhörerin, und wenn ich dann ins Taxi stieg, standen die beiden Arm in Arm vor der Tür und winkten mir nach, und während Mike mir noch hinterhergrinste und mit der freien Hand die Tür hinter mir zuschlug, neigte er schon den Kopf, um sie zu küssen.
In der Redaktion, wo ich endlose Tage zwischen krächzenden Fernsehern und Radios und ratternden Newstickern durchstand, zwischen routinemäßigen Anrufen bei der Polizei und Pressekonferenzen und Kollegen, die alle gleichzeitig in den Telefonhörer brüllten, zwischen knisternden Funkgeräten und dem endlosen Kreislauf der minütlich aktualisierten Fernschreiber, hatte ich jetzt wieder diese kostbaren, heiteren Mike-Momente, auf die ich mich freuen konnte.
Sie bewirkten, dass sich mancher im Redaktionsauto verbrachte Vormittag leichter ertragen ließ und ich die auf Boden und Sitzen verteilten Krümel besser ignorieren konnte, wenn ich wieder einmal vor einer schäbigen Häuserreihe parkte, um die Angehörigen einer Person, die gerade eines unnatürlichen oder unerwarteten Todes gestorben war, um Fotos und Stellungnahmen zu bitten, wenn ich dort inmitten einer tosenden See aus drahtigen, zähen Kindern, die um mich herum mit zielloser Aggression auf einen Fußball einhämmerten, im Auto saß und mich fragte, warum ich nicht einfach so tat, als hätte ich bereits an die Tür geklopft.
Natürlich hätte ich lügen und behaupten können, im Gespräch mit den Hinterbliebenen mein Bestes gegeben zu haben, sie gefragt zu haben, warum ihr Sohn/ihre Tochter/ihr Mann/ihre Frau sich umgebracht hatte oder wie sie sich fühlten, nachdem ihr Vater vor zwei Tagen bei einem Unfall umgekommen war, oder was die letzten Worte ihrer achtjährigen Tochter gewesen waren, bevor das Auto sie erwischt hatte. Ich hätte dem Arschloch einfach erzählen können, dass das Gespräch nichts ergeben hatte, dass es keine Story gab. Aber für irgendjemanden war es immer eine Story, und die endlos tickende Redaktionsuhr kannte keine Gnade.
Ich stellte fest, dass ich mir vor Treffen mit Mike besondere Mühe gab, dass ich mit höchster Sorgfalt mein Make-up auftrug oder mir den Kopf zerbrach über das passende Outfit, über meine Frisur, den Schmuck, den ich tragen wollte. Und alles nur, weil dem Mann meiner besten Freundin das eine vielleicht besser gefiel als das andere.
Freunde
L assen Sie mich nun von der Nacht erzählen, in der es passierte. Jetzt, wo Sie vielleicht zu verstehen beginnen, was diese Nacht war und was sie nicht war. Aber zunächst ist der Hinweis wichtig, dass Mike der erste und einzige Mann war, mit dem Cora je Sex hatte. Sie bestand darauf, dass dieser Umstand
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