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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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ausmachte, wenn wir uns zulächelten oder uns umarmten oder auf der Tanzfläche herumwirbelten oder Hand in Hand liefen. Wir verheimlichten nie etwas, damals gab es nichts zu verheimlichen, für keinen von uns. Warum setzte uns Cora nie irgendwelche Grenzen? In meiner Arglosigkeit und Dummheit merkte ich nicht, dass unser Verhalten unweigerlich Konsequenzen haben würde. Für mich war die Situation so, wie sie isoliert betrachtet, für sich selbst genommen auch war: Ich dachte, Mike und ich wären Freunde und Mike und Cora ein Liebespaar.
    Natürlich hätte ein Teil von mir auch gerne gehabt, was die beiden miteinander hatten. Ohne es mir je einzugestehen, beneidete ich sie um ihre scheinbar so vertrauensvolle, zärtliche Zweisamkeit, die ich für unverbrüchlich hielt. Vielleicht verachtete ein winzig kleiner Teil von mir auch ihn für das, was passierte. Dafür, dass er nicht der Mann war, für den ich ihn gehalten hatte. Dafür, dass auch er nur ein Mann war.
    Es passierte, weil Cora mich nicht alleine nach Hause gehen lassen wollte. Wie immer hatte sie Angst vor dem, was in den dunklen Straßen von Cathays lauerte, im Schatten zwischen Pommesbude, Kebabladen, Solarium und Kirche. Wenn Tony, unser Vermieter, nicht hinter der Bodenleiste meines Zimmers Mäusefallen aufgestellt hätte, wäre es nie dazu gekommen. Schließlich wohnten wir zusammen. Es wäre gar nicht gegangen.
    Aber das Schicksal nahm das Blatt in die Hand und spielte uns einen Joker aus, ob aus purer Neugier oder Bosheit. Diese Mäuse! Ich war ihre trippelnden Füße leid, die sich tief in der Nacht wie katzenhafte Bestien anhörten, die an meiner Wand kratzten. Mäuse, sauer gewordene Milch, sprießende Kartoffeln – untrügliche Merkmale einer Studenten- WG . Es ging nur um eine Nacht, bis Tony das Problem aus der Welt geschafft hatte. Ich übernachtete also bei Tim in der Tudor Road. Er hatte mir den Schlüssel gegeben, und ich hatte schon am Nachmittag vorbeigebracht, was ich für die Nacht brauchte.
    Natürlich ließ sich Tim volllaufen und verschwand mit einer Brünetten mit wogendem Dekolleté. Seine Mitbewohnerin Ruth war übers Wochenende verreist. Normalerweise hätte ich auf unserer Couch geschlafen, aber Stevie war da, und ich konnte schlecht mit ihm das Zimmer teilen. Bei Cora und Mike konnte ich natürlich genauso wenig einziehen. Aber ich würde ja schon zum Frühstück wieder da sein.
    Weil Cora neue Stiefel angezogen hatte, taten ihr in dieser Nacht die Füße noch mehr weh als sonst. Sie verzichtete daher auf den zusätzlichen Fußmarsch und schickte mir Mike als Begleitung mit, damit ich sicher bei Tim ankam. Stevie durfte dableiben, weil er der Gast war und noch das komplizierte Feldbett aufbauen musste, das er mitgebracht hatte. Es war zwei Uhr morgens. Die Luft war immer noch warm, und ich war nicht halb so betrunken, wie ich um diese Zeit hätte sein können. Wie ich hätte sein müssen.
    Mike nahm trotzdem meine Hand, um mich zu stützen. Ich weiß nicht genau warum, aber er machte das immer so bei nächtlichen Spaziergängen. Als wir uns der Haustür näherten, wusste ich plötzlich nicht mehr, was ich sagen sollte. Am liebsten wäre ich schon in der Wohnung gewesen, weil mir der Teil, der dazwischen kam, das Gutenachtsagen, überhaupt nicht gefiel. Ich bemühte mich, heiter und unbeschwert zu wirken, obwohl mich das warme Gefühl seiner Hand und sein tröstliches Schweigen und die orangefarbenen Lichtmuster der Straßenlaternen ganz verlegen machten. Die Nacht und die Straße und unser Leben dehnten sich bis in alle Ewigkeit vor uns aus.
    Leise drehte ich den Schlüssel im Schloss herum, um eventuell Schlafende nicht zu wecken, aber die Wohnung war dunkel und wirkte verlassen. Mike hielt immer noch meine Hand, und ich wusste nicht, wie ich mich aus seinem Griff winden sollte. Einen Augenblick später waren wir drinnen.
    »War echt ein lustiger Abend, oder?«, sagte ich und meinte es auch so. Ich musste einfach etwas sagen, und sei es nur, um mir mit den banalsten und normalsten Wörtern, die mir einfielen, einzureden, dass diese Nacht eine ganz banale, gewöhnliche Nacht war. »Richtig lustig sogar. Mir hat’s auf jeden Fall Spaß gemacht.« Diesmal meinte ich es noch umso mehr.
    »Ich bin verliebt in dich«, sagte er. Nur das.
    Wir standen immer noch im Dunkeln, weil ich noch nicht nach der Stehlampe auf dem Tisch getastet oder meine Jacke ausgezogen hatte.
    Er hielt immer noch meine Hand, und seine Stimme knisterte in

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