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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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ihre Beziehung zu etwas ganz Besonderem machte. Untreue wird dadurch umso schwerwiegender, weil sie eine einzigartige Bindung zerstört, weil sich die eigene Sexualität über einen einzigen Mann definiert. Keine Vergleiche zu seinen Gunsten oder Ungunsten, keine peinlichen Bettgeschichten, die man verheimlichen müsste.
    Mike war also der erste Mann, mit dem Cora Sex gehabt hatte, und ihre Überzeugung, dass er nun auch Sex mit Jenny gehabt haben könnte, war der schmerzlichste Schlag, der sie treffen konnte. Dadurch reduzierte sich der Ausdruck »Sex haben« auf einen reinen Akt. Was bedeutete er nun überhaupt noch?
    Das war es, was sie mir ein ums andere Mal vorbetete, so als wollte sie mir etwas Entscheidendes begreiflich machen, das ich einfach nicht verstand. Ich fühlte mich schlecht.
    Er war nämlich auch der erste Mann, mit dem ich je Sex gehabt hatte. Fällt es Ihnen schwer, das zu glauben? Dass ich, dass wir als zwanzigjährige Studentinnen so unerfahren gewesen sein konnten? Während gleichzeitig alle anderen fickten und vögelten und leckten, wann auch immer und mit wem auch immer sie wollten, in jeder beliebigen akrobatischen Stellung, weil das junge Leute nun mal so tun? Ich habe keine Ahnung, warum es bei uns nicht so war. Mein erstes Pornoheft habe ich mit dreiundzwanzig gesehen, meinen ersten Pornofilm mit sechsundzwanzig, und beides nur durch Zufall.
    Ich glaube nicht, dass es Prüderie war – sondern eher ein Mangel an Gelegenheiten, zumindest an lohnenden Gelegenheiten. Lag es an unserer Erziehung, an der Angst vor Krankheiten, die man uns als Teenager eingeimpft hatte? War es Scham oder – schlimmer – Naivität? Romantische Vorstellungen und die Angst, sie könnten sich nicht erfüllen? Letztendlich spielt es keine Rolle, woran es lag. Es war einfach so.
    Zu Schulzeiten hatte ich nie einen festen Freund gehabt, nie hatte es einen Jungen gegeben, der auch nur im Entferntesten mein Interesse geweckt hätte. Ohnehin waren alle meine Kontakte zu Mitschülern mit Verlegenheiten befrachtet gewesen. Wer wollte schon mit der Klassenstreberin ausgehen, der Leseratte, die sowieso nur Einsen schrieb, die im Debattierclub war und die Schule beim Landeswettbewerb bis ins Halbfinale brachte? Die wenig sagte, nicht etwa, weil sie Angst hatte, sich selbst zu blamieren, sondern ihren Gesprächspartner, indem sie ein Wort benutzte, das dieser nicht verstand? Die Angst hatte, mit ihrer gebildeten Version des örtlichen Dialekts und ihrem gewählten Vokabular arrogant zu wirken, die keine Dauerwelle und keinen blauen Eyeliner trug, die nicht rauchte, keine Anekdoten über Flaschendreh-Abende oder Apfelwein-Besäufnisse zum Besten geben konnte und nicht die Pille nahm? Wer hätte mit so einer schon ausgehen wollen?
    Nichts davon zählte mehr, als ich Cora, Mike und Stevie kennenlernte, weil sie außer dem, was sie aus erster Hand von mir sahen oder hörten, nicht das Geringste über mich wussten. Und das war gut so.
    Wie oft hat man die Chance, sich nicht etwa neu zu erfinden, sondern, im Gegenteil, endlich hemmungslos man selbst zu sein?
    Im ersten Unijahr konnte ich es mir endlich leisten, desinteressiert und wählerisch zu sein. Ich musste nicht mehr nur so tun als ob, während ich insgeheim litt und flehte. Natürlich flirtete ich hin und wieder mit Kommilitonen oder ging mit ihnen aus, ich war schließlich keine Nonne. Da gab es diesen Typ aus dem Frühgeschichte-Seminar oder Tom aus der Rudermannschaft mit dem sandfarbenen Wuschelkopf und den muskulösen Oberarmen, um die sich straff das T-Shirt spannte. Über Tom habe ich bei einer Party im Studentenwerk mal einen Drink ausgegossen. Oder Dylan, mit dem ich in der Zentralbibliothek über Dostojewski diskutierte, obwohl ich den in Wirklichkeit gar nicht gelesen hatte. Eine bunte Auswahl an Männern. Ich versuchte, jemanden zu finden, der zu mir passte, allerdings ohne mich allzu sehr anzustrengen.
    Dann, irgendwann im letzten Studienjahr, passierte es.
    Mike und Stevie waren aus Swansea gekommen. Es war nicht der Abend mit dem orangeroten Kleid und dem Sturz auf die Motorhaube des Sportwagens, sondern ein späterer, aber sehr ähnlicher Abend. Als ich mit Coras Mann schlief, war er schon ihr Verlobter, und wir alle waren noch beste Freunde.
    Wenn ich schonungslos ehrlich bin, habe ich Cora zeitweise dafür verachtet. Dafür, dass sie so verflucht tolerant war. Dass sie nie etwas ahnte. Dass sie es zuließ. Dass es ihr in all den Monaten nie etwas

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