Saat der Lüge
gut gelaunt. »Wenn du sie selbst umgebracht hättest, Liz, könnten sie dich allerdings mit Fug und Recht auf die Straße setzen, nehme ich an.« Das Licht in ihm erlosch. Mit einem Schluck Corona und dem beeindruckenden Dekolleté einer vorbeischwebenden Blondine im schulterfreien Neckholder-Top war jedes echte Interesse an dem Thema verschwunden. Morgen würde er wieder in London sein.
»Oder wenn du wüsstest, wer es getan haben könnte, und es verschleiern würdest«, wandte Cora ein, als sie bemerkte, dass seine Aufmerksamkeit nachließ.
»Was getan haben könnte? Wir wissen doch gar nicht, ob ihr überhaupt irgendjemand etwas getan hat!«, wiederholte ich mit wachsendem Groll. Ich erwürge sie! Ich erwürge sie hier und jetzt. Ich werfe sie auf den Boden und presse ihr den Hals zu!
»Oder wenn du dem Mörder Geld für seine Story anbieten würdest«, schaltete sich James grinsend ein, der glaubte, wir wären wieder in unser altes Spielchen verfallen. »Oder wenn sich herausstellen würde, dass du eine lesbische Affäre mit ihr hattest, mmmh …«, ließ er sich hinreißen, und sein schönes, breites Lächeln brach wieder hervor, während er dem Neckholder-Top hinterherstarrte.
»Oder einen Zeugen mit Geld zum Schweigen gebracht hättest«, sagte Cora mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme. Sie wusste, dass sie ihn verloren hatte.
»Oh ja, Tod, Perversitäten und Erpressung. Eindeutig Titelseite. Tja, wenn Liz die Insiderstory nicht schreiben will, wie wäre es dann mit dir, Dora? Hättest du nicht Lust auf einen freiberuflichen Beitrag über deine letzten Stunden im Club des Todes? Wenn es sich wirklich als Mord herausstellt, schaffst du es vielleicht sogar in eine landesweite Zeitung – vorausgesetzt, an dem Tag ist sonst nicht viel passiert.«
Cora lachte spöttisch und sah James mit unverhohlener Abscheu an. »In der ersten Person geschrieben? Wenn du wüsstest … Das würde dich aber was kosten, James Darling. Mehr als nur ein paar Jack Daniel’s und blöde Witze.«
»Oh, sie hat sich bei dir was abgeschaut«, krähte er und dachte immer noch, sie würde sein Spielchen mitspielen. »Was für ein schlechter Einfluss du doch bist! Versuch doch, sie noch ein bisschen böser zu machen – solange ich dabei zusehen darf.«
Die Musik wurde lauter, und das Gemurmel der Menschen um uns herum schwoll an, um sie zu übertönen. Ich versuchte, normal zu atmen.
»Geh doch noch mit uns tanzen, Liz!«, bettelte James im nächsten Atemzug und drehte sein elektrisierendes Grinsen wieder auf volle Wattleistung. Der Tod eines kleinen PR -Mädchens war vollkommen uninteressant geworden. »Komm schon, das wird lustig! Was muss ich tun, damit du mir endlich glaubst, dass ich verrückt nach dir bin?«
Wenn ich nicht genau gewusst hätte, was für ein oberflächlicher Schönling er war, hätte ich sein Angebot und alles, was damit einherging, glatt angenommen, nur um nicht mehr gegen das Verlangen ankämpfen zu müssen, Cora mit dem Riemen meiner Handtasche zu strangulieren, bis ihr die Zähne aus dem Kopf fielen und sie mir endlich sagte, was zur Hölle sie da trieb.
Aber ich wusste es, deshalb gingen wir getrennter Wege, nachdem wir uns mit Küsschen voneinander verabschiedet hatten. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass er tatsächlich mit einem der Vertriebsmädels geknutscht und das andere dann mit nach Hause genommen hatte.
»Und?«, wollte ich wissen. Ich hatte mich jetzt kaum noch unter Kontrolle, aber ich wollte auf keinen Fall ausrasten und Cora damit zeigen, dass sie mich aus dem Konzept gebracht hatte. Wir standen in der dichter werdenden Dunkelheit auf der Straße, wo die Straßenlaternen durch den Nieselregen leuchteten. Ich ließ meine Aggression an meinen Handschuhen aus und zerrte sie mir wütend über die Finger.
»Was sollte das alles? Bist du einfach nur unglaublich dumm, oder was ist los?«
»Was denn?«, feixte Cora.
»Ist dir nicht klar, wie gefährlich das war? Ich arbeite mit diesen Leuten. Mag sein, dass sie sich einen Dreck um deine Indiskretionen scheren, solange keine gute Exklusivstory für sie drin ist, aber komplette Idioten sind sie nicht.«
»Bleib mal locker, Lizzy. Ich hab doch nur Spaß gemacht – ein bisschen das Terrain sondiert. Wir waren ja wirklich dort an diesem Abend, aber viele andere auch, wie du ja richtig gesagt hast. Mach mich nicht für deine Schuldgefühle verantwortlich.«
»Schuldgefühle? Jetzt wirst du kindisch. Warum sollte ich Schuldgefühle
Weitere Kostenlose Bücher