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Saat des Feuers

Saat des Feuers

Titel: Saat des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Palov
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an denen, die mir nahe sind.«
    Da Stan niemand war, der Gottes Gebot missachtete, gedachte er, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sicherzugehen, dass die Unheiligen ihren Blick nicht auf die Bundeslade warfen. Dem Wissenschaftler war nur gesagt worden, dass Stan und seine Männer ein Konsortium von Kunstsammlern repräsentierten, die auf der Suche nach einer mittelalterlichen Truhe waren, die in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts irgendwo in England vergraben worden sein sollte. Wenn der Harvard-Wunderknabe sich über das Trio bewaffneter Wachmänner wunderte, dann war er schlau genug, es für sich zu behalten. Ungezügelte Gier konnte einen schon dazu veranlassen, sich blind zu stellen.
    Als keine Antwort auf seine kurze Einleitung erfolgte, rieb sich
der teiggesichtige Mediävist nervös die Hände. »Langsam aber sicher fügt sich alles zusammen. Die ersten drei Vierzeiler habe ich mehr oder weniger entschlüsselt, aber ich kämpfe noch ein wenig mit Nummer vier. Aber macht euch keine Sorgen, Leute. Ich schätze, ich habe dieses Baby in den nächsten paar Stunden geknackt.«
    »Sie rätseln an diesen Versen schon seit gestern Nachmittag. Ich hatte eigentlich inzwischen handfeste Ergebnisse erwartet.« Stan gab sich keine Mühe, seine Verärgerung zu verbergen. Der Wissenschaftler wusste nicht, dass er nach einem sorgfältig Zeitplan arbeitete.
    »Hey, solche Sachen kann man nicht erzwingen. Obwohl ich Ihnen sagen kann, dass die vier Gedichte ein geradliniges Gleichnis bilden.«
    »Was zum Teufel soll das heißen?«, murmelte Boyd Braxton, der den Wissenschaftler anstarrte, als wäre er ein Scheißhaufen unter dem Absatz seines Stiefels.
    Grinsend antwortete der Scheißhaufen: »Für diejenigen unter uns, die nie Geometrie hatten: Ich beziehe mich auf die vierseitige geometrische Anordnung, auch bekannt als Quadrat.«

40
    Etwas langsamer diesmal las Cædmon Galen of Godmershams Gedicht erneut.
    Es war nicht das erste Mal, dass er in diesem holzvertäfelten Lesesaal der Duke Humphrey’s Library saß und sich mühsam durch ein kniffliges Rätsel kämpfte. Während seiner Studienzeit hatte er unzählige Stunden in genau diesem Raum an genau diesem Tisch verbracht, mittelalterliche Texte um sich herum aufgestapelt.
    Da er der Überzeugung war, dass ein aufgeräumter Arbeitsbereich
ähnlich aufgeräumtes Denken förderte, ordnete er die verschiedenen Gegenstände auf dem Lesetisch systematisch. Die Bibliothekarin, die von Sir Kenneth Campbell-Browns informiert worden war, hatte ihnen höchst bereitwillig die gewünschten Materialien an den Tisch gebracht. Zusätzlich zu dem in Leder gebundenen Kodex, der eine Sammlung Gedichte des vierzehnten Jahrhunderts einschließlich Galens Vierzeilern enthielt, hatte sie einen dünnen Band hervorgezaubert, der die Aufzeichnungen der »Feet of Fines« von Godmersham für die Jahre 1300 bis 1350 enthielt. Papier, Bleistifte und Baumwollhandschuhe lagen ebenfalls bereit.
    Mit einem verärgerten Gesichtsausdruck richtete Edie den behandschuhten Zeigefinger auf den aufgeschlagenen Kodex. »Das ist ja in Altenglisch geschrieben, in einer toten Sprache.«
    Cædmon, der bemerkte, dass einige andere Benutzer der Bibliothek ihr verärgerte Blicke zuwarfen, legte einen Finger an die Lippen, um Edie daran zu erinnern, dass Schweigen innerhalb der Mauern der Duke Humphrey’s Library unangefochten an erster Stelle stand. Wenn man schon sprechen musste, dann war ein unterdrücktes Flüstern die bevorzugte Art der Kommunikation.
    »Tatsächlich sind diese Quartette, wie man solche Vierzeiler fachsprachlich auch nennt, eher in Mittelenglisch als in Altenglisch verfasst, was mir erlaubt, eine ziemlich genaue Interlinearübersetzung anzufertigen.«
    »Du sprichst von einer Übersetzung Zeile für Zeile, richtig?« Ihre Stimme war merklich leiser. »Als ich Studentin im Aufbaustudium war, schrieb ich eine Arbeit über die Frau aus Bath. Du weißt schon, aus The Canterbury Tales . Das war eine Arbeit für ein Seminar über Frauen im Mittelalter, und sie hätte mich beinahe fertiggemacht.«
    In der Hoffnung, ihr Mut zu machen, tätschelte er ihr die Hand. »Keine Sorge. Ich bin sicher, du überlebst diese Strapaze.« Dann griff er nach einem Bleistift und einem leeren Blatt Papier.
    Obwohl es schon einige Jahre her war, seit er zum letzten Mal
mittelenglische Texte übersetzt hatte, konnte er sich schnell durch die altertümliche Schreib- und Ausdrucksweise arbeiten, wobei ihm in der

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