Saat des Feuers
können.
Hallo Tahiti und ein Leben voll süßen Nichtstuns, umgeben von barbusigen Inselschönheiten.
Wenn man bedachte, dass seine Mutter einst die Schulbehörde von Fairfax County wegen der Zeile »eine Nation unter Gott« im amerikanischen Treueeid verklagt hatte – was eine Welle der religiösen Empörung ausgelöst hatte -, dann wäre es gelinde gesagt eine Ironie, wenn er die Bundeslade finden würde.
Das ist für dich, Mutter.
»Der Verweis auf die ›goos‹ – die Gans – in der vierten Strophe ist ziemlich eindeutig«, antwortete er nach einer langgezogenen Pause, da er es für angebracht hielt, Klartext zu reden. Eine gute Lüge verpackte man am besten in Wahrheit.
»Sie sprechen von der Gans, die goldene Eier legt, richtig?« Das
kam von dem Muskelprotz namens Boyd, der rittlings auf einem umgedrehten teuren Sheratonstuhl saß wie eine Stripperin beim Lapdance auf dem Schoß eines zahlenden Kunden.
»Sehr gut, Mr. Rambo. Setzen, Note Eins.« Einen wohlbemessenen Augenblick später rief er spöttisch: » Falsch! « Im Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher, als dem muskelbepackten Goliath das Gesicht in die Fußbodenbretter zu drücken. So wie es in den vergangenen Jahren unzählige Schulhofschläger mit ihm gemacht hatten.
Doch da er wusste, dass er es nicht übertreiben durfte, schaltete er einen Gang zurück und gab wieder den gebildeten Harvard-Absolventen. »In der mittelalterlichen Sprache steht die Gans symbolisch für Wachsamkeit. Und in Anbetracht der Tatsache, dass Galen seine Quartette unmittelbar vor seinem Tod verfasste, bedeutet das hier Wachsamkeit im Tode.«
Marshall lächelte. Das hörte sich gut an. Soeben hatte er herausgefunden, wie er seinen Wohltäter ausmanövrieren konnte. »Die zweite Zeile des letzten Quartetts heißt nur so viel wie ›Wehe mir!‹ angesichts der Pest«, fuhr er fort, wobei es ihm kaum gelang, ein aufgeregtes Grinsen zu unterdrücken. »Das bringt uns zu Zeile drei, was kurz gesagt ein Hinweis auf den heiligen …«
»Ich will wissen, wo Galen seine Truhe versteckt hat«, zischte der ältere Typ und starrte ihn mit schmalen Augen an.
»Nun, das ist die 64 000-Dollar-Frage, nicht wahr?« Oder 64-Millionen-Frage.
Er musste sich regelrecht zusammenreißen, um nicht vor Freude anzufangen zu singen. Wie der bärtige Tewje in Anatevka . Nur dass er wirklich reich wäre. Ohne »wenn«.
Marshall trat zu seinem Laptop und projizierte mit ein paar Tastenklicks die nächste Folie der Präsentation – eine Seite aus einem beinahe siebenhundert Jahre alten Dokument – an die Wand. »In den Chroniken der ›Feet of Fines‹ entdeckte ich, dass Galen eine gehörige Anzahl goldener Objekte spendete, und zwar der …«, er
schnappte sich seine handschriftlichen Aufzeichnungen vom Tisch, »Kirche St. Lawrence the Martyr in Godmersham. Das dürfte der ›holy blissful martir‹ – der glückselige Märtyrer – aus dem vierten Quartett sein. Wie die meisten Menschen im Mittelalter glaubte Galen zweifellos, dass er sich seinen Platz im Himmel erkaufen konnte.« Oder durch Bestechung ergaunern, alles eine Frage des Standpunkts. »Nimmt man nun alles zusammen, dann schätze ich, dass Galen die arca sprichwörtlich mit ins Grab nahm.«
Der ältere Typ brütete darüber ein paar Sekunden lang nach, dann, offensichtlich ein Pedant, der immer eine Bestätigung brauchte, meinte er: »Wollen Sie damit sagen, dass die goldene Truhe in Galen of Godmershams Grab in der Kirche St. Lawrence the Martyr ruht?«
»Yepp. Diese Hypothese ist genauso gut wie jede andere.« Als er das verärgerte Aufblitzen im Gesicht seines Wohltäters sah, fügte er hastig hinzu: »Es war zu der Zeit Brauch, die Toten in Leinen zu wickeln. Das wäre dann der ›veyl bitwixen worlds tweye‹. Auch bekannt als der Schleier zwischen zwei Welten.«
Marshall stieß innerlich einen Seufzer der Erleichterung aus. Obwohl er sich die Lüge unvorbereitet aus den Fingern gesogen hatte, klang sie recht glaubhaft. In Wirklichkeit hatte vor der Bundeslade, als sie in Salomons Tempel im Allerheiligsten aufbewahrt worden war, ein Schleier gehangen, der sie vor den Blicken verbergen sollte. Der Schleier in Galens letztem Vierzeiler bezog sich also auf die Bundeslade, nicht auf ein mittelalterliches Leichentuch.
Die Hinweise in den Quartetten waren nur dürftig, aber er vermutete, dass sich die Bundeslade in Wahrheit im Innern der Kirche unter einer Statue des Märtyrers befand, dem die Kirche geweiht
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