SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
es nicht so, als beschmutzte ich das Andenken meiner Geliebten?
Nein! , antwortete mir eine innere Stimme mit Nachdruck. Meine Liebe zu Natascha war ungebrochen, aber wir beide mussten weiterleben, jeder auf seine Weise. Waren wir schon vor Taschas ›Verwandlung‹ recht eigenwillige Persönlichkeiten gewesen, so erreichte unsere Individualität danach Extremwerte. Über kurz oder lang würde sich meine kleine Katze damit abfinden müssen, dass wieder andere Frauen in mein Leben traten.
Ich überlegte gerade noch, ob ich ›Sugar‹ in mein Büro bitten sollte, als sie mir spielerisch ihre Tasche entgegenstreckte. Wie ein unförmiges Hypnose-Pendel schwang sie hin und her.
»Noch immer keine Ahnung, wie ich dich gefunden habe?« Um ihre Mundwinkel spielte wieder das schelmische Lächeln.
»Nicht einmal den blassesten Schimmer.«
»Na, dann hilft dir das vielleicht auf die Sprünge.« Galant wie ein Zauberkünstler zog sie einen Gegenstand aus der Tasche; es war allerdings kein weißes Kaninchen, sondern das Lederetui meiner Nikon.
»Ooh, verdammt«, stöhnte ich auf. »Danke!«
Beim fluchtartigen Verlassen des Jeans-Shops musste ich die Kamera in der Umkleidekabine vergessen haben. Ich nahm sie kopfschüttelnd entgegen und öffnete das Futteral. Im Inneren informierte ein weißer Adressaufkleber:
Trait, T.
Fotodesign
1034 Bloomfield, Yucca Springs, C.A.
»Zeugt von ’ner recht gleichgültigen Haltung, so mit seinem Arbeitsgerät umzugehen«, bemerkte ›Sugar‹ ein wenig spöttisch.
»Oh, das täuscht«, verteidigte ich mich. »Ich war wohl mit meinen Gedanken woanders, und in dem Trubel …«
»Stimmt«, grinste sie, »war ja ein mächtiger Trubel im Laden.«
Ich wählte eine andere Taktik. Ihren bissigen Anspielungen konnte man nur mit einer gleichwertigen ›Attacke‹ begegnen.
»Bringst du eigentlich allen Kunden verlorene Schlüssel, Feuerzeuge oder Fotoapparate persönlich vorbei? Ist echt ein toller Service!«
»Tja, eigentlich nicht. Du hast eben das unverschämte Glück, dass ich heute Abend ohnehin in diese Gegend wollte.«
»Nach Glenbrook?«, fragte ich skeptisch. »Ist nicht gerade ein einladendes Viertel für nächtliche Spaziergänge.«
»Wie man’s nimmt.« ›Sugar‹ zuckte nur leicht mit den Schultern. »Für mich ist’s gerade mal später Nachmittag und außerdem gibt’s drei Blocks weiter oben ’nen ganz passablen Indie-Club mit Live-Musik. Die Bloomfield lag halt nicht weit von meiner Tour.«
Nervös drehte ich die Nikon in meinen Händen. »Tja, wenn das so ist, muchas graçias, Su… äh, wie heißt du eigentlich?«
»Deborah, kannst mich aber ruhig Deb nennen. Tu’n die meisten.«
Bei diesen Worten warf sie sich wieder die Tasche über die Schulter und ging Richtung Tür. »Also dann«, klang es etwas gepresst, »war nett, dich kennengelernt zu haben; vielleicht schaust du ja mal wieder im Laden vorbei.«
Ich grinste nur dämlich. Mein Gast war bereits auf der Treppe, als ich endlich aufwachte. War ich nun etwa vollkommen verblödet? Da pochte nach all den Monaten eine solche ›Klasse-Frau‹ an meine Gruft, und ich stand nur da wie ein ausgemachter Volltrottel. Meine Begriffsstutzigkeit verfluchend, stürzte ich ihr hinterher.
»Deborah! Heeh, Deborah, wart’ mal!«
Sie war schon bis zur zweiten Spirale gelangt. Sie blieb stehen und drehte mir ihren Kopf durch das Geländer zu.
»Mhmm?«
Ich beugte mich gefährlich weit zu ihr nach unten. »Ich wollte nur fragen, ob du ein Auto dabei hast.«
»Nee, warum? Ich bin mit dem ›36er‹ gekommen.«
»Ja, also, ich dachte mir, ich könnte dich vielleicht zu deinem Club fahren. Als Finderlohn sozusagen.«
Langsam stieg Deborah die Wendeltreppe wieder hinauf. Fünf Stufen unter mir drückte sie sich grinsend gegen das Metallgeländer. »Und ich dachte, der blöde Kerl fragt mich nie mehr«, sagte sie. Irgendwo in dem staubigen, nach Altöl und Möbelpolitur riechenden Hausflur gaben wir uns einen langen, hungrigen Kuss.
Unser Aufbruch nahm danach nur noch Sekunden in Anspruch. Ich vergewisserte mich kurz, ob das Fenster für Tascha geöffnet war, löschte das Licht und verriegelte die Tür.
Nachdem Deborah mir mein neu erworbenes Hemd lässig über die Hose gezogen hatte, war mein Outfit für den Abend komplett.
Der Chevy schnurrte und folgte brav den Anweisungen meiner Begleiterin. Ihre drei Blocks erwiesen sich allerdings als ein labyrinthischer Zick-Zack-Kurs durch unbeleuchtete, mit Müll
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