SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
einem dunklen Fell. Prüfend schnupperte sie in die Nacht. Es würden noch etliche Stunden vergehen, bevor die Himmelsgöttin Nut die Sonne wieder aus ihrem Bauch aufsteigen ließ. Sie musste die Zeit nutzen. Solange Thomas aus dem Haus war, konnte sie ungestört ihre Vorbereitungen treffen. Und die würden darin bestehen, möglichst viel zu lesen. Da sie sich nur noch grob an die Abläufe der Zeremonien erinnerte, würde sie nicht umhin kommen, alle geheimen Quellen, die sich im Nachlass ihrer Eltern befanden und auch solche, die sie selbst entdeckt hatte, abermals intensiv zu studieren.
Sie durfte keinen Fehler begehen; wenn die Beschwörungsformeln und Opfer-Rituale auch nur um eine Winzigkeit falsch ausgeführt wurden, konnten sie sich blitzartig in ihr Gegenteil verkehren.
Angespannt und nervös schlich sie durch die Wohnung und blieb schließlich vor ihrem ehemaligen Arbeitszimmer stehen. Dort befanden sich Abschriften, aber auch Originale, für die mancher Archäologe seine rechte Hand gegeben hätte. Doch diese Worte waren nicht für die Augen eines Sterblichen gedacht. Sie wurden nur unter strengster Geheimhaltung von Göttern oder Halbgöttern an ihre jeweiligen Nachkommen weitergegeben. Sollte jemals einer der Auserwählten einem Menschen die Geheimnisse preisgeben, so war ihm ein Schicksal beschieden, gegen das sich das eines Prometheus als paradiesische Wonne ausnehmen würde.
Knurrend schwang sie sich von einem Regal zum anderen, (In meiner Doppelrolle als Beobachter und Aktiver musste ich mich sehr auf meine Thomas-Rolle konzentrieren, um nicht schwindlig zu werden.) bis sie endlich den verschlissenen Lederrücken eines als harmloses Sachbuch getarnten Bandes (›Koptische Symbolik und Etymologie‹) mit jahrtausendealten Verhaltensregeln für den Umgang mit Göttern fand.
Tascha war sich bewusst, dass sie ihr Ziel niemals allein erreichen konnte. In ihren Adern floss das seit Jahrhunderten vermischte Blut einer Halbgöttin. Ihr Wissen und ihre Macht, ihr göttliches Erbe, waren durch die leider notwendigen Verbindungen mit Sterblichen mehr und mehr verblasst. Sie brauchte dringend Hilfe. Göttliche Hilfe.
So vorsichtig es ging, ohne den Einband zu sehr zu beschädigen, zog sie das Buch mit den Krallen aus dem Regal. Es war eine mühselige Arbeit, da sie einen nur zwei Zentimeter breiten Rand zum Ausbalancieren hatte. Manchmal hielt sie ihren Körper mit nur einer einzigen Pfote, während die andere zaghaft nach dem Objekt der Begierde fischte. Eins um andere Mal rutschte sie vom Regalbrett ab und landete fauchend am Boden. Verbissen und zäh erklomm sie die steile Wand aufs Neue, immer und immer wieder. Nicht zuletzt in solchen Momenten wünschte sich Tascha sehnlichst ihre alte Größe zurück, ihre langen Arme und ihre zarten, feinfühligen Finger. Als Tascha hätte sie das Buch innerhalb von Sekunden aus dem Regal nehmen können, nun wurde daraus eine schweißtreibende Mühsal von mehr als zehn Minuten. Gern hätte ich ihr geholfen, doch mein Körper saß auf einem Stuhl, gefangen in einer fünften oder sechsten Dimension.
Trotz allem gelang es ihr, der Sache auch eine lustige Seite abzugewinnen. Was würde sich wohl ein fremder Beobachter (Ich?) angesichts meiner Turnerei am Bücherbord denken? , fragte sie sich. Entweder haust hinter dem Regal eine Mäusefamilie oder aber das Biest will endlich wissen, wie ›Sterilisation‹ geschrieben wird. Tascha musste so sehr über ihren eigenen Scherz kichern (schnurren), dass sie augenblicklich den Halt verlor und abstürzte.
Schließlich jedoch reichte ein sanftes Antippen mit der Pfote, um das lederne Ungetüm aus dem Gleichgewicht zu bringen. Schwerfällig neigte es sich nach vorne und landete mit einem dumpfen 'Plopp' am Boden. Tascha war so umsichtig gewesen, vorher ein weiches Sofakissen an die vermutliche Absturzstelle zu schieben.
Ohne sich eine Verschnaufpause zu gönnen, bugsierte sie das Buch an einen ihr genehmen Platz auf dem Teppich. Mit ihrer Nase schlug sie den Deckel auf und las die seltsam angeordneten Hieroglyphen. Es handelte sich hierbei um eine Geheimschrift, die größtenteils schon in Vergessenheit geraten war, als man die Pläne zum Bau der großen Pyramiden noch nicht einmal entworfen hatte. Längst waren die Steine, in die die Zeichen einst eingemeißelt waren, zu Staub zerfallen.
Als ich die verwirrenden Symbole sah, beschloss ich, vollkommen in Nataschas Gedankenwelt einzutauchen. Ohne ihre Unterstützung würde ich
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