SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
daran, sie zu bitten, das Kleid auszuziehen, doch dafür war es noch etwas zu früh. Noch gehorchten die Nerven und Muskeln unter der leicht gebräunten Haut einer Frau namens Lindsay Quinlan. Noch.
»Thomas … ist Ihnen nicht gut?« Ihre besorgten Augen machten mir klar, dass ich sie noch immer wie ein seelenloser Zombie anstarren musste.
»Ich … ich bin nur … nur mehr als überrascht«, entgegnete ich unbeholfen. »Bas … äh … Shana zeigt sich meist sehr reserviert Fremden gegenüber. So zutraulich wie heute habe ich sie noch nie gesehen. Sie müssen einen ganz besonderen Charme auf Katzen ausüben.«
»Ich hoffe doch nicht nur auf Katzen«, lächelte sie. Ihre Miene verriet, wie sehr sie sich ihrer Ausstrahlung bewusst war. »Wäre es nicht möglich, uns beide zu fotografieren?«, schlug sie vor. »Shana ist sicher ein Naturtalent.«
Das dürfte die Untertreibung des Jahres sein , dachte ich. Ich unterließ es aber, ihr von der ›Black Cat‹-Serie zu erzählen. Entsprechend meiner eigenen Rolle in diesem Spiel nickte ich ihr lediglich freundlich zu.
»Okay. Warum nicht. Aber passen Sie auf, dass Shana Ihnen nicht die Schau stiehlt.«
Auf den drei Filmen, die ich nun verschoss, fanden sich später etliche Bilder, die ich ohne Probleme als Cover an gut zahlende Magazine hätte verkaufen können. Ich veröffentlichte allerdings keines davon. Ihr Inhalt war mir zu intim, zu sehr mit schmerzlichen Erinnerungen verbunden. Nur eine Aufnahme, auf der sich Frau und Katze – beide im Halbprofil – ernst in die Augen schauen, habe ich noch heute hier hinter meinem Schreibtisch hängen. Manchmal, wenn mein Blick eher zufällig darauf fällt, verspüre ich eine tiefe Trauer. Schon oft wollte ich das Bild entfernen, doch auch dazu fehlt mir die Kraft. Es wäre zu leicht. Das Foto ist ein ewiger Mahner. Eine Sühne. Eine von vielen.
Am Ende des Shootings fiel es mir sehr schwer, Lindsay wieder gehen zu lassen. Ich wollte aber vermeiden, meinen Entschluss als zu überhastet wirken zu lassen. Außerdem erwartete ich noch drei weitere Models, und für das, was ich mit Lindsay plante, brauchte ich absolute Ruhe. Anders als bei allen anderen bat ich sie aber, sich persönlich bei mir wegen des Ausgangs des Castings zu erkundigen.
Lindsay war kaum im Hof verschwunden, als sich meine aufgestaute Erregung lautstark ihren Weg brach.
»Geschafft!«, schrie ich wie wild. »Geschafft! Die Zeit des Wartens ist endlich vorbei. Heute Nacht wird es geschehen.« Ich hockte mich vor Bastet hin und nahm ihren Kopf in meine Hände. »Noch heute werde ich dich wieder in meinen Armen halten können. Wahnsinn. Begreifst du? Schon in wenigen Stunden wirst du wieder eine Frau sein. Und was für eine.« Ich nahm die Katze auf meinen Arm und tanzte mit ihr im Zimmer herum. »Es wird neu für uns sein, und doch kennen wir uns. Es wird verrückt werden. Total irre. Fantastisch!«
In meinem überschäumenden Enthusiasmus sah ich die Zeremonie des Sarx als längst vollzogen an. Eine notwendige, aber kinderleichte Prozedur. Nichts, worüber man sich Gedanken machen müsste. Mittlerweile hatte ich auch den Namen Lindsay Quinlan aus meinem Gedächtnis gestrichen. Sie existierte bereits nicht mehr für mich. Ich sah nur noch ihren wundervollen Körper. Bastets neuen Körper.
Die Zeit bis 6 Uhr verbrachte ich in einer Art Fieberrausch. Routiniert aber vollkommen unpersönlich lichtete ich die übrigen Models ab. Meine Nervosität und meinen Unwillen verbarg ich dabei hinter einer Maske aus Arroganz. Es war mir egal, was die Mädchen über mich dachten. Es war nicht ihre Schuld, aber für mich stellten sie lediglich eine leidige Pflichterfüllung dar. Und ich ließ sie dies mit jedem meiner barschen Kommandos spüren.
Nichts konnten sie mir recht machen: Entweder lächelten sie zu breit, ließen die Schultern hängen oder neigten den Kopf zu stark. Bei keiner dauerte das Shooting länger als 20 Minuten. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Jeden Moment glaubte ich, zerspringen zu müssen. Bei der letzten Bewerberin verwendete ich nicht einmal einen echten Film.
Noch siebenundachtzig Minuten , dachte ich, nachdem ich die Tür hinter der sicherlich frustrierten Nr. 8 ins Schloss fallen ließ. In etwas mehr als einer Stunde würde ich die entzückendste Frischfleischlieferung erhalten, die man sich nur vorstellen konnte. Wohlgeformte 57 kg Lebendgewicht frei Haus. Eine fast schon kannibalistische Vorstellung; in diesem
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