Sacramentum
wieder aufgehoben und zoomte nun auf den Deckel der Kiste, während der Reporter ihn aufstemmte und dabei das Geschehen dokumentierte.
Arkadian rappelte sich auf. Er wollte dem Riesen hinterherlaufen, aber ihm fehlte die Kraft dazu; also schleppte er sich zu der Kiste und betete zu Gott, dass sie gute Nachrichten enthielt.
Der Deckel wurde weggezogen und fiel klappernd zu Boden.
Liv lag auf der Seite. Sie war in Decken und Bandagen gewickelt wie eine Mumie zu Halloween. Der Reporter stellte ihr Fragen, doch es war offensichtlich, dass sie unter Drogen stand … Oder zumindest hoffte Arkadian, dass das der Grund dafür war, dass der Lärm sie nicht geweckt hatte. Arkadian griff in die Kiste und legte ihr den Finger auf den Hals.
Da war ein Puls.
Liv lebte.
*
Dragan beobachtete von oben alles wie ein hilfloser Gott. Kaum war das grelle Licht angesprungen, da hatte er schon gewusst, dass das Ärger bedeutete. Es hatte dann auch nicht lange gedauert, bis die riesige Gestalt geflohen war.
Dragan schaute zu, wie die Leute unten sich um die Kiste versammelten und den Deckel herunternahmen. Etwas zerrte an ihm, als er die Gestalt in der Kiste sah. Er wurde zu ihr hingezogen, und er musste sich an der Höhlenwand festhalten, um nicht durch die Luke zu stürzen. Das Sakrament war so nah, dass er es sehen konnte, und doch außer Reichweite. Am liebsten hätte er geweint, getobt oder etwas umgebracht … egal … Doch er konnte nur zuschauen, wie die Leute das Mädchen mitnahmen.
81
Arkadian hielt Liv den ganzen holperigen Weg durch die Altstadt hindurch fest, den gesunden Arm fest um sie gelegt wie ein Vater, der sein Kind trösten will.
Sie saßen in einem der ›Mondbuggys‹ genannten Elektrofahrzeuge, mit dem die Alten und Behinderten zum Berg hinaufgefahren wurden. Arkadian hatte das Gefühl, als träfe im Augenblick gleich beides auf ihn zu. Der Reporter saß am Steuer, und der Kameramann suchte mit seinem Objektiv die Straßen ab wie ein Soldat im Gefechtseinsatz. Niemand sagte ein Wort. Sie wussten, dass der Riese noch da draußen lauerte und vermutlich nur darauf wartete, sich aus den Schatten auf sie zu stürzen.
Als sie schließlich den Fuß des Hügels erreichten, rührte Liv sich zum ersten Mal. Die holperige Fahrt hatte sie geweckt. Arkadian gab den Code des Notfalltores ein und lächelte, als er auf der anderen Seite sah, dass der zweite Teil ihres Rettungsplans bereits auf sie wartete.
Der Reporter sah es ebenfalls. »Was macht denn der Krankenwagen hier?«
»Ich habe ihn gerufen. Ich wusste ja nicht, in welchem Zustand die Geisel sich befindet. Fahren Sie hin, damit der Sanitäter sie sich ansehen kann. Wenn der dann sein Okay gibt, können Sie mit ihr sprechen.«
Der Reporter lenkte den Elektrowagen zu dem Krankenwagen und trat hart auf die Bremse, um seine Verärgerung kundzutun. Arkadian hatte ihm die Exklusivrechte für die Story versprochen, und nun fühlte er förmlich, wie sie ihm entglitt.
Die Fahrertür des Krankenwagens öffnete sich, und ein dürrer, blasser Mann mit schulterlangem schwarzem Haar stieg aus und kam auf sie zu. Er ließ sich auf ein Knie nieder und griff Livs Handgelenk. »Der Puls ist schwach«, verkündete er nach ein paar Sekunden. »Blutdruck niedrig.« Er hob Livs Augenlider und leuchtete ihr in die Augen. »Die Pupillen sind klein, reagieren aber nicht. Sieht nach einer Barbituratvergiftung aus. Sie muss sofort an den Sauerstoff, und sie braucht auch eine Infusion. Dann muss sie so schnell wie möglich ins Krankenhaus, damit wir herausfinden können, mit was man sie vollgepumpt hat.«
Er warf die Türen des Krankenwagens auf und zog die Rolltrage heraus.
»Helfen Sie dem Mann«, forderte Arkadian den Reporter auf. »Ich würde ja, aber …«
»Film weiter«, bellte der Reporter seinen Kameramann an; dann trat er vor, um dem Sanitäter zu helfen, Liv auf die Trage zu heben.
Der Sanitäter schnallte sie fest, schob die Trage wieder in den Krankenwagen zurück und warf die Tür zu.
Der Reporter drehte sich zu Arkadian um. »Sie haben gesagt, wir bekämen ein Interview mit ihr.«
»Und das werden Sie auch, sobald das Krankenhaus sein Okay dazu gegeben hat. Sie wollen wegen einer Story doch nicht ihre Gesundheit gefährden, oder?«
Hinter ihm startete der Sanitäter den Krankenwagen, und das Blaulicht sprang an. »Ich werde den Rest der Presse fern halten«, sagte Arkadian, »versprochen. Tatsächlich werde ich sogar im Krankenwagen mitfahren, damit nichts
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