Sacramentum
offiziell aussehendes Fax mit zwei Bildern: eines zeigte Liv, das andere Gabriel. Liv wurden die Knie weich.
Der Soldat trat vor und legte ihre Pässe auf den Tisch. »Danke«, sagte der Colonel. »Das wäre dann alles.«
Liv hörte, wie die Tür sich hinter ihr schloss und die schweren Schritte des Soldaten in der Ferne verhallten. Der Colonel schaute sich die Pässe an. Schließlich hob er den Kopf, sah Gabriel an und schüttelte den Kopf wie ein enttäuschter Vater.
»Du hättest wirklich im Dienst bleiben sollen«, sagte er.
Gabriel nickte, als stimme er dem Mann zu. »Und du hättest hier ein paar Bilder aufhängen sollen. Es fehlt die Gemütlichkeit.«
Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht des Colonels, und einen Augenblick später war er aufgesprungen, und bevor Liv sich versah, hatte er die Arme um Gabriel geschlossen. Schließlich löste Gabriel sich wieder aus der Umarmung und drehte sich zu ihr um.
»Liv Adamsen, darf ich dir James Washington vorstellen. Wir haben zusammen die Ausbildung bei den Special Forces durchlaufen. Damals war er schon Captain und ich nur ein kleiner G.I.«
»Und jetzt bin ich Colonel beim militärischen Nachrichtendienst und du ein Zivilist auf der Flucht vor dem Gesetz. Was ist da nur schiefgelaufen?« Washington trat wieder hinter seinen Schreibtisch und gab Gabriel das Fax. »Das ist vor ein paar Stunden angekommen, und zwar vom Heimatschutzministerium. Du musst dir wirklich ein paar üble Feinde gemacht haben.«
Gabriel überflog das Fax und gab es an Liv weiter. Es enthielt die gleiche Information, die sie auch in New Jersey im Fernsehen gehört hatte. Das einzig Neue bezog sich auf sie. Dort stand, sie sei Opfer einer Entführung geworden und müsse sofort wieder zurückgebracht werden, damit man sie medizinisch behandeln könne. Was sie aber für eine Krankheit haben sollte, wurde nicht erwähnt. Darunter befand sich eine Nummer, die man anrufen sollte, wenn Liv und Gabriel gefunden waren.
»Haben Sie diese Nummer überprüft?«, fragte Liv.
»Ich habe einen Routertest vornehmen lassen. Das ist nur eine Vermittlung, die das Gespräch Gott weiß wohin weiterleitet. Wir konnten sie aber nicht lokalisieren, wenn es das ist, was Sie meinen. Das Interessanteste ist aber, dass dieses Fax ausgerechnet auf meinem Schreibtisch gelandet ist. Wer auch immer es geschickt hat, weiß also, dass ihr hierher unterwegs seid.«
Gabriel nickte. »Du hast nicht zufällig ein paar irakische Polizeiakten zur Hand, oder?«
Washington grinste. »Ach ja, dieser Gefallen, um den du mich gebeten hast …« Er holte eine Aktenmappe aus der obersten Schublade und gab sie Gabriel.
Darin befanden sich zwei Dokumentenbündel auf Arabisch.
»Das sind Kopien nachrichtendienstlicher Dossiers von Saddams Geheimpolizei, die bei der Befreiung Bagdads sichergestellt worden sind. Keine Ahnung, ob es noch mehr gibt, aber du hast mir ja auch nicht viel Zeit gelassen. Es war nicht leicht, sie zu besorgen und auch noch eine Transportmöglichkeit zu organisieren. Beim nächsten Mal könntest du mir ruhig ein wenig mehr Vorlauf geben.«
»Ich werde versuchen, daran zu denken«, sagte Gabriel und blätterte den ersten Dokumentenstapel durch, bis er im hinteren Teil eine Zusammenfassung auf Englisch fand.
Es handelte sich um eine Sammlung von Militär- und Polizeiberichten, alle auf den 16. September 2000 datiert, zu einem Vorfall in der Wüste nahe Al-Hillah in der Provinz Babil. Eine archäologische Grabungsstätte war von Unbekannten angegriffen worden; Überlebende hatte es nicht gegeben. Den Berichten war eine Liste von zwanzig Namen beigefügt, größtenteils Einheimische, aber auch ein paar Ausländer. Ganz oben stand der Name von John Mann. Das bestätigte, was Gabriel schon immer geglaubt hatte: Der Vorfall hatte nichts mit der irakischen Regierung zu tun gehabt. Aber da waren auch neue Informationen in der Akte. Etwa zum Zeitpunkt des Zwischenfalls hatte eine irakische Luftabwehrbatterie kurz Radarkontakt zu einem Flugobjekt gehabt, das die türkisch-irakische Grenze in Richtung Süden überquert hatte. Flugmuster und Geschwindigkeit deuteten auf einen Helikopter hin. Dasselbe Fluggerät hatte man zwanzig Minuten später noch einmal geortet, diesmal auf dem Rückflug, doch die Wetterbedingungen waren schlecht gewesen, und so war der Kontakt rasch abgerissen. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass es sich um ein widerrechtliches Eindringen von türkischen Streitkräften gehandelt haben
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