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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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hören, zu vorsichtig, um unschuldig zu sein, aber auch zu laut, um ignoriert zu werden. Ajda schlich die Treppe hinauf und hielt sich dabei dicht an der Wand, wo die Bohlen weniger knarrten. Die Tür zur Wohnung stand offen. Dahinter brannte Licht. Kurz blieb Ajda stehen, unsicher, was sie als Nächstes tun sollte. Dann war zu hören, wie der Aktenschrank geöffnet wurde, und Ajda überwand ihre Furcht. Wer auch immer das war, er ging Kathryns Privatakten durch, und das konnte sie nicht dulden. Sie stieg die letzten Stufen hinauf und stand in der Tür.
    Im Inneren kniete ein uniformierter Polizist neben dem Aktenschrank.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte Ajda in einem Tonfall, der genau das Gegenteil vermittelte.
    Der Polizist zog etwas unter der Schublade hervor, stand dann auf und drehte sich um.
    »Hallo, Ajda«, sagte Gabriel und ging zu dem großen Bücherregal, das bis unter die Decke reichte.
    Ajda musste dem für sie untypischen Verlangen widerstehen, sich auf ihn zu stürzen und ihn zu umarmen. »Ich … Ich dachte, du wärst im Knast«, sagte sie.
    »War ich auch.« Gabriel bückte sich und griff nach dem Exemplar von Jane Eyre mit dem Kalbsledereinband. »Jetzt nicht mehr.«
    Er drückte auf den Buchrücken, und der gesamte untere Teil des Regals öffnete sich mit einem leisen Klick. Ajda hatte geglaubt, jeden Zoll des Büros zu kennen, aber dass da ein Geheimfach war, das hatte sie nicht gewusst.
    Ein lautes Hämmern im Erdgeschoss ließ beide herumwirbeln.
    »Die sind wegen mir hier«, sagte Gabriel, steckte ein Faxgerät aus und nahm es aus dem Schrank. »Bitte, mach nicht auf.«
    Das Hämmern ertönte erneut. Es war jene Art von hartnäckigem Klopfen, das darauf schließen ließ, dass dort draußen entweder Polizei oder Geldeintreiber standen. Ajda wurde klar, was geschehen sein musste, und sofort bekam sie Angst. Gabriel und seine Mutter waren gute Leute. Sie arbeitete mit den beiden schon lange genug zusammen, um das zu wissen. Und vor einer Woche hätte sie sich noch verpflichtet gefühlt, die Polizei hereinzulassen, doch nachdem sie gesehen hatte, wie sie die Büros durchwühlt und ein einziges Chaos hinterlassen hatten, hatte sie ihre Meinung geändert. Ihretwegen konnten die so lange hämmern, bis ihnen die Fäuste bluteten. Sie würde sie nicht reinlassen.
    Gabriel stellte das Faxgerät auf den Boden und drehte es um. Auf der Unterseite befanden sich Stecker für Telefon und Strom sowie ein Schloss. Gabriel nahm einen kleinen Schlüssel aus dem Umschlag, den er unter der Schublade gefunden hatte, drehte ihn im Schloss und nahm das Gehäuse des Geräts ab. Im Inneren nahmen die Bauteile des Fax nur etwa ein Drittel des Raums ein. Der Rest war mit Reisepässen in verschiedenen Farben gefüllt sowie mit Plastikbeuteln voller Geldscheine in unterschiedlichen Währungen. Ajda sah Dollar, Euros, türkische Lira, sudanesische Pfund und auch etwas, das irakische Dinar zu sein schienen. Daneben lag ein dicker Stapel Kreditkarten. »Was ist das alles?«, fragte sie. Ihre einst so geordnete Welt fiel ein weiteres Stück in sich zusammen.
    Gabriel steckte drei Pässe und sämtliches Bargeld ein. »Einen Großteil meiner Arbeit mache ich verdeckt«, erklärte er und ging rasch die Kreditkarten durch. »Viele der bedürftigsten Menschen der Welt werden von den korruptesten regiert. Würden wir nach den Regeln spielen, dann würden wir nie etwas erreichen, und die Schwächsten der Schwachen hätten nie eine Chance. Ich fürchte, dann und wann muss ich die Regeln beugen, um zu erreichen, was erreicht werden muss.«
    Unten war wieder das Hämmern zu hören, nun gefolgt vom Klingeln des Telefons am Empfang.
    »Ich erwarte nicht von dir, etwas zu tun, das dir unangenehm ist«, sagte Gabriel und packte Ajda sanft an der Schulter. »Und wenn du runtergehen und sie reinlassen willst, dann ist das okay. Das ist nicht dein Kampf. Aber meine Mutter schwebt in Gefahr, und ich will ihr helfen, und du könntest mir helfen.«
    Das Hämmern hörte genauso abrupt auf, wie es begonnen hatte, und auch das Telefon klingelte nicht mehr. Ajda schaute Gabriel in die ernsten Augen und lächelte.
    »Was soll ich tun?«

24
    Davlat-Hastenesi-Krankenhaus
    Bei Sonnenuntergang wurden die Abendmedikamente im Krankenhaus verteilt.
    Da ein Zimmer nun leer war, ging es schneller als sonst, und Vater Ulvi war begierig darauf, dass die Pfleger und Schwestern verschwanden, damit er tun konnte, weshalb er gekommen war. Er spielte mit

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