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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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verstecke doch nichts!« Paul musste wirklich mit den Nerven am Ende sein, noch nie hatte Bastian erlebt, dass er jemanden derartig anbrüllte. Seine Stimme hallte durch die unterirdischen Gänge, durch die Gewölbe, verschreckte wahrscheinlich sogar die Tiere an der Oberfläche.
    »Entschuldige bitte.« Paul schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen die Mauer. Er warf Bastian einen Blick zu, aus dem nur noch Erschöpfung sprach. Doro ging wortlos an ihm vorbei.
    Vor der Gruft hielt sie an. Der hysterische Anfall, den Paul befürchtet hatte, blieb aus. Sie stand einfach da und nahm den Anblick schweigend in sich auf. Strich mit den Händen über einen Steinsarg, kniete sich hin und fuhr die Steinmetzarbeiten mit den Fingern nach. Schließlich setzte sie sich, den Rücken an einen der Särge gelehnt.
    »Ich habe mir solche Mühe gegeben«, sagte sie und klang dabei weder aufgeregt noch geheimnisvoll-mystisch, nur ein wenig traurig. »Ich habe Runen gezeichnet und alle mächtigen Beschwörungen gesprochen, die ich kenne. Aber es war dumm von mir, gegen ihn kämpfen zu wollen. Er ist einfach viel stärker als ich.« Sie drehte den Kopf, lächelte das enthauptete Skelett an. »Ich habe es euch nicht gesagt, weil ich euch nicht voreilig Hoffnung machen wollte. Aber gestern Abend, knapp vor dem Einschlafen, dachte ich wirklich, wir könnten es vielleicht schaffen und er würde uns doch verschonen. Steinchen ging es besser, wir hatten uns vor dem Gewitter in Sicherheit gebracht - alles gute Zeichen. Aber in Wahrheit sind wir nur Tristrams Ruf gefolgt. Er braucht Gesellschaft, versteht ihr? Uns. Jetzt sind wir in seiner Burg und hier werden wir bleiben, bis man uns nicht mehr von ihm und den Seinen unterscheiden kann.«
    Hinter Bastian begann Lisbeth zu schluchzen. »Ge … Georg, Doro hat recht«, presste sie hervor. »Sieh doch. All die Toten.« Sie schlug die Hände vors Gesicht und krümmte sich. »Ich will hier weg. Können wir gehen? Gleich?«
    »Sobald das Unwetter vorbei ist.« Auch Georgs Stimme schwankte ein wenig. Bastian konnte es ihm nachfühlen, ihm ging es nicht besser, der Anblick des Blutbads, das hier stattgefunden hatte, nahm ihn von Minute zu Minute stärker mit.
    Etwas lief hier furchtbar schief und er wollte nicht wissen, was genau es war. Die leeren Augenhöhlen der Toten, ihre weit aufgerissenen Kiefer jagten ihm Angst ein, doch er konnte den Blick nicht abwenden. Sie lagen hier seit Hunderten Jahren und plötzlich kam Bastian der Gedanke, dass sie Vergeltung für ihr furchtbares Sterben verlangen könnten, gar nicht mehr so abwegig vor. Er schloss die Augen. Ich fange schon an, wie Doro zu ticken. Wir müssen fort hier. Schnell.
    Doro selbst war dagegen so ruhig, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte. Sie lehnte entspannt an dem steinernen Sarg. Lächelnd.
    Ihr demonstratives Aufgeben war das exakte Gegenteil von dem, was Bastian erwartet hatte - und es war schlimmer als jede ihrer düsteren Beschwörungen. Nun kniete sich auch noch Nathan neben sie und brach in Tränen aus. Doro tätschelte seinen Kopf.
    »Weine ruhig und dann schlaf ein wenig. Wir müssen uns um nichts mehr kümmern, nur noch warten, dass unser Schicksal sich erfüllt. Nichts mehr tun, nie mehr.«
    Bastian gab sich einen Ruck. »Das ist doch Blödsinn«, brachte er mühsam heraus. »Wir werden genau das tun, was wir vorhin beschlossen haben. Sobald es oben hell wird, klettern wir durch den Schacht hinauf und gehen alle gemeinsam zurück zur Straße. Keines dieser Skelette wird uns daran hindern, denkt doch ein bisschen nach.« Es auszusprechen, machte es fast greifbar. Der Morgen war nicht mehr weit entfernt, eine halbe Nacht noch, dann würden sie die Gruft einfach hinter sich lassen und in ihr normales Leben zurückkehren. Der Gedanke war erleichternd, wie das Ablegen einer schweren Last. Ein paar Stunden nur.
    »Ich bin schon sehr gespannt, wie wir mich da wieder hochbekommen«, warf Steinchen ein, »was aber an meinem Gewicht liegt. Das ist ein Fluch, meine Lieben!«
    Sein Humor war zurück, das hieß, es ging ihm besser. Wieder ein Punkt für uns, dachte Bastian.
    Er legte einen Arm um Iris, sein Gesicht vergrub er in ihrem Haar. »Ich möchte, dass wir uns regelmäßig sehen, wenn wir zurück sind«, sagte er leise. »So richtig, verstehst du? Ich will mit dir zusammen sein.«
    Er spürte, wie sie den Kopf drehte und ihre Arme um seine Taille schlang. »Das wäre schön«, flüsterte sie.
    »Du wohnst bei mir«, fuhr er

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