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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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allein weiß, ob sie von mir sind. Nein, nein, sie werden nicht von mir sein, der Weise vermag der Wahrheit ins Auge zu blicken. Und ich willige ein! Weil ich mich langweile. Nein, doch nicht deswegen. Aber da sind diese Schulden …
    GRIGOREJEW
    Machen Sie sich nicht schlechter, als Sie sind. Man braucht kein Geld, um eine hübsche junge Frau zu heiraten.
    STEPAN
    Leider brauche ich viel dringender Geld als eine hübsche Frau … Sie wissen, ich habe das Gut, das mein Sohn von seiner Mutter geerbt hat, schlecht verwaltet. Er wird die achttausend Rubel, die ich ihm schulde, von mir verlangen. Man wirft ihm vor, er sei ein Revolutionär, ein Sozialist, er wolle Gott abschaffen und das Eigentum und was noch alles. Das mit Gott kann ich nicht beurteilen. Aber am Eigentum, das kann ich Ihnen sagen, an dem hält er eisern fest … Außerdem ist das für mich eine Ehrenschuld. Ich muss mich opfern.
    GRIGOREJEW
    All das ehrt Sie. Warum beklagen Sie sich dann?
    STEPAN
    Da ist noch etwas. Ich argwöhne … wissen Sie … Oh, ich bin nicht so dumm, wie ich in Warwaras Gegenwart vielleicht wirke! Warum diese überstürzte Heirat? Dascha war in der Schweiz. Genau wie Nikolai. Und jetzt …
    GRIGOREJEW
    Ich verstehe nicht.
    STEPAN
    Ja, das ist alles ein bisschen undurchsichtig. Und warum? Ich will nicht fremde Sünden decken. Ja, fremde Sünden! Oh großer, gütiger Gott, wer wird mich trösten! …
    LISA (tritt mit MAWRIKI NIKOLAJEWITSCH ein)
    Da ist er ja, Mawriki, er ist es, er ist es wirklich! (Zu STEPAN TROFIMOWITSCH ) Sie erkennen mich wieder, nicht wahr?
    STEPAN
    Gott! Gott! Meine liebe Lisa! Endlich ein glücklicher Augenblick!
    LISA
    Ja. Wir haben uns zwölf Jahre lang nicht gesehen, und jetzt freuen Sie sich, mich zu sehen, sagen Sie mir, dass Sie sich freuen! Haben Sie Ihre kleine Schülerin nicht vergessen?
    ( STEPAN TROFIMOWITSCH eilt ihr entgegen, greift ihre Hand und sieht LISA an, keines Wortes mächtig.)
    Hier, ein Blumenstrauß für Sie. Ich wollte Ihnen einen Kuchen mitbringen, aber Mawriki Nikolajewitsch riet zu Blumen. Er ist so feinsinnig. Dies ist Mawriki: Ich möchte, dass Sie gute Freunde werden. Ich liebe ihn sehr. Ja, er ist derjenige Mann auf der Welt, den ich am meisten liebe. Begrüßen Sie meinen lieben Lehrer, Mawriki.
    MAWRIKI
    Es ist mir eine große Ehre.
    LISA (zu STEPAN TROFIMOWITSCH )
    Ich freue mich so, Sie zu sehen! Und trotzdem bin ich traurig. Warum bin ich in Augenblicken wie diesem immer so traurig? Erklären Sie mir das, Sie gelehrter Mann. Ich habe immer gedacht, ich wäre überglücklich, wenn ich Sie wiedersehe, und würde mich an alles erinnern, und jetzt bin ich überhaupt nicht glücklich – und doch liebe ich Sie.
    STEPAN (den Blumenstrauß in der Hand)
    Das macht nichts. Sehen Sie, auch ich, nicht wahr, ich, der ich Sie liebe, würde am liebsten weinen.
    LISA
    Oh, da hängt ja mein Porträt! (Geht zur Wand und nimmt eine Miniatur herunter) Soll das ich sein? War ich tatsächlich so hübsch? Nein, ich sehe das lieber nicht mehr an! Ein Leben geht vorüber, ein anderes beginnt, macht dann seinerseits einem neuen Platz und immer so weiter, ohne Ende. (Schaut GRIGOREJEW an) Hören Sie nur, was ich für alte Geschichten erzähle!
    STEPAN
    Wo habe ich denn meinen Kopf? Darf ich Ihnen Grigorejew vorstellen, meinen vortrefflichen Freund?
    LISA (eine Spur kokett)
    Ach ja! Sie, der Vertraute! Ich finde Sie sehr sympathisch.
    GRIGOREJEW
    Zu viel der Ehre.
    LISA
    Na, na, Sie brauchen sich nicht zu schämen, dass Sie ein braver Mann sind. (Sie wendet ihm den Rücken zu, und er betrachtet sie bewundernd.) Dascha ist gemeinsam mit uns heimgekehrt. Aber das wissen Sie natürlich. Sie ist ein Engel. Ich wünsche mir so, dass sie glücklich wird. Übrigens, sie hat mir viel von ihrem Bruder erzählt. Wie ist dieser Schatow denn so?
    STEPAN
    Ach der … ein Schwärmer! Erst war er Sozialist, dann hat er abgeschworen, und jetzt lebt er nach Gottes und Russlands Geboten.
    LISA
    Ja, irgendwer hat mir schon gesagt, er sei ein wenig seltsam. Ich möchte ihn kennenlernen, um ihm eine Arbeit anzuvertrauen.
    STEPAN
    Das wäre jedenfalls eine gute Tat.
    LISA
    Warum eine gute Tat? Ich möchte ihn kennenlernen, er interessiert mich … Kurz, ich brauche unbedingt jemanden, der mir bei etwas hilft.
    GRIGOREJEW
    Ich kenne Schatow recht gut, und wenn ich Ihnen damit einen Dienst erweisen kann, hole ich ihn jetzt gleich.
    LISA
    Ja, ja. Vielleicht gehe ich übrigens selber hin. Obwohl ich ihn nicht

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