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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Papier, das nach Luzernen duftende Fleisch bietet dem Menschen zugleich sein Blut, den Saft der Pflanzen und die Sonne dar. Leert die Becher! Leert die Becher! Leert den Becher der Jahreszeiten. Trinkt bis zum Vergessen, nichts wird passieren!
    (Hurrarufe. Freudengeschrei. Trompeten. Musik. Überall auf dem Markt kleine Szenen.)
    DER ERSTE BETTLER
    Ein Almosen, guter Mann, ein Almosen, Großmütterchen!
    DER ZWEITE BETTLER
    Besser jetzt als nie!
    DER DRITTE BETTLER
    Ihr versteht schon, was wir meinen!
    DER ERSTE BETTLER
    Passiert ist natürlich nichts.
    DER ZWEITE BETTLER
    Aber vielleicht wird etwas passieren. (Er stiehlt einem Passanten die Uhr.)
    DER DRITTE BETTLER
    Gebt, gebt oft, zu eurem eigenen Besten. Doppelt hält besser!
    (Im Fischladen.)
    DER FISCHER
    Eine Dorade, so frisch wie eine junge Blume! Die Blüte des Meeres! Und Sie wollen sich beschweren.
    DIE ALTE
    Deine Dorade schmeckt wie Seehund!
    DER FISCHER
    Seehund? Bis du alte Hexe hier hergekommen bist, war noch nie ein Seehund in meinem Laden.
    DIE ALTE
    Aah, du Betrüger! Achte meine weißen Haare!
    DER FISCHER
    Raus mit dir, alter Komet!
    (Alles erstarrt und legt den Finger auf den Mund.)
     
    (An Victorias Fenster. VICTORIA drinnen, DIEGO am Fenstergitter.)
    DIEGO
    Es ist so lange her!
    VICTORIA
    Du Verrückter, wir haben uns doch heute Morgen um elf noch gesehen!
    DIEGO
    Ja, aber dein Vater war dabei!
    VICTORIA
    Mein Vater hat ja gesagt. Wir waren sicher, er würde nein sagen.
    DIEGO
    Es war richtig, dass ich es offen ausgesprochen und ihm direkt in die Augen geblickt habe.
    VICTORIA
    Das war richtig. Während er nachdachte, habe ich die Augen geschlossen und zugehört, wie in mir ein ferner Galopp immer näher kam und lauter wurde, immer schneller, immer mehr Hufe, bis ich am ganzen Leib zitterte. Und dann hat mein Vater ja gesagt. Und ich habe die Augen aufgemacht. Es war der erste Morgen der Welt. In einer Ecke des Zimmers, in dem wir standen, sah ich die schwarzen Pferde der Liebe, immer noch zitternd, aber jetzt waren sie ruhig. Auf uns warteten sie.
    DIEGO
    Ich war weder blind noch taub. Aber ich habe nichts gehört als das leise Rauschen meines Blutes. Meine Freude war auf einmal frei von aller Ungeduld. Oh Stadt des Lichts, jetzt bist du in meine Hände gelegt, mein Leben lang, bis zu der Stunde, wo die Erde uns ruft. Morgen brechen wir gemeinsam auf, wir werden in ein und demselben Sattel sitzen.
    VICTORIA
    Ja, sprich unsere Sprache, auch wenn sie den anderen verrückt vorkommt. Morgen wirst du meinen Mund küssen. Ich schaue deinen an, und meine Wangen brennen. Liegt das vielleicht am Südwind?
    DIEGO
    Ja, es ist der Südwind, und er brennt auch mich. Wo ist der Brunnen, der mich heilt? (Er tritt näher, VICTORIA streckt die Arme durch die Gitterstäbe und fasst seine Schultern.)
    VICTORIA
    Ah! Ich liebe dich so, dass es weh tut! Komm noch näher.
    DIEGO
    Du bist so schön!
    VICTORIA
    Du bist so stark!
    DIEGO
    Womit wäschst du dein Gesicht, dass es so mandelweiß ist?
    VICTORIA
    Ich wasche es mit klarem Wasser, die Liebe tut ihre Anmut dazu!
    DIEGO
    Dein Haar ist kühl wie die Nacht!
    VICTORIA
    Weil ich jede Nacht an meinem Fenster auf dich warte.
    DIEGO
    Haben das klare Wasser und die kühle Nacht dir den Duft des Zitronenbaums mitgegeben?
    VICTORIA
    Nein, der Wind deiner Liebe hat mich an einem einzigen Tag ganz mit Blüten bedeckt!
    DIEGO
    Die Blüten werden verblühen!
    VICTORIA
    Die Früchte werden auf dich warten!
    DIEGO
    Der Winter wird kommen!
    VICTORIA
    Aber mit dir. Weißt du noch, was du mir beim ersten Mal vorgesungen hast? Es stimmt doch immer noch?
    DIEGO
    Wenn nach hundert Jahren tief im Grabe
    Die Erde fragt und zu mir spricht
    Ob ich dich wohl vergessen habe
    So antwort’ ich: Noch lange nicht!
    (Sie schweigt.)
    Du sagst gar nichts?
    VICTORIA
    Das Glück schnürt mir die Kehle zu.
    (Im Zelt des Astrologen.)
    DER ASTROLOGE (zu einer FRAU )
    Die Sonne, meine Hübsche, geht bei deiner Geburt durch das Zeichen der Waage, also dürfen wir dich als Venuskind betrachten, auch weil du Stier als Aszendent hast, der, wie jeder weiß, von Venus beherrscht wird. Du bist also gefühlvoll, zärtlich und von angenehmem Wesen. Darüber darfst du dich freuen, obgleich der Stier auch zu Ehelosigkeit neigt, sodass diese wertvollen Anlagen ungenutzt bleiben. Übrigens sehe ich hier auch eine Konjunktion von Venus und Saturn, das ist ungünstig für Ehe und Kinder. Auch bedeutet diese Konjunktion abseitige Neigungen und eine Anfälligkeit

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