Sämtliche Werke
höchste Gewalt erteilte und sie mit einer Leibgarde von 300000 Mann beschützte, tun konnten. Nie hat das Volk, das große Waisenkind, aus dem Glückstopf der Revolution miserablere Nieten gezogen, als die Personen waren, welche jene Provisorische Regierung bildeten. Es befanden sich unter ihnen miserable Komödianten, die bis aufs Haar, bis auf die Farbe des Barthaars, jenen Heldenspielern des Liebhabertheaters glichen, das uns Shakespeare im »Sommernachtstraum« so ergötzlich vorführt. Diese täppischen Gesellen hatten in der Tat vor nichts mehr Angst, als daß man ihr Spiel für Ernst halten möchte, und Snug der Tischler versicherte im voraus, daß er kein wirklicher Löwe, sondern nur ein provisorischer Löwe, nur Snug der Tischler sei, daß sich das Publikum vor seinem Brüllen nicht zu fürchten brauche, da es nur ein provisorisches Brüllen sei – und dabei, in seiner Eitelkeit, hatte er Lust, alle Rollen zu spielen, und die Hauptsache war für ihn die Farbe des Bartes, womit eine Rolle tragiert werden müsse, ob es ein zindelroter oder ein trikolorer Bart sei.
Wahrlich, die auswärtigen Mächte hatten keinen Grund, sich vor diesen provisorischen Löwen zu fürchten – sie waren wohl im Beginn etwas verdutzt, aber sie faßten sich bald, als sie sahen, welche Tiere in der Löwenhaut steckten, und sie brauchten keineswegs die Februarrevolution als eine politische Beleidigung, als eine patzige Herausforderung anzusehen – denn sie konnten mit Recht sagen: »Es ist uns gleich, wer in Frankreich regiert. Wir haben zwar Anno 1815 die ältern Bourbonen auf den Thron gesetzt, aber es geschah nicht aus Zärtlichkeit für diese, sondern aus Haß gegen den Napoleon Bonaparte, mit welchem wir damals Krieg führten und den wir bei Waterloo erschlugen und zu Sankt Helena, Gott sei Dank! begruben – Solange er lebte, hatten wir keine ruhige Stunde – Nun, da dieser tot ist und unter den provisorischen Regierungslöwen keiner sich befindet, der uns wieder unsre liebe Nachtruhe rauben könnte, so ist es uns gleichgültig, wer in Frankreich herrscht. Es kümmert uns gar nicht, wer dort regiert, ob Louis Blanc oder der General Tom Pouce, der Zwerg beider Welten, der noch weit berühmter ist als ersterer, aber freilich ebensowenig wie sein Mitzwerg Louis Blanc in der Winzigkeit einen Vergleich aushalten könnte mit dem seligen Bogulawski, den man in eine Pastete buk und auf die Tafel des Kurfürsten von Sachsen setzte – der tapfere Pole biß und hieb sich aber mit seinen Zähnen und seinem kleinen Säbel aus dem Backwerk heraus und spazierte auf der kurfürstlichen Tafel als Sieger einher, ein Heldenstück, welches vielleicht eurem Homunkulus Louis Blanc nicht gelingen dürfte, der sich schwerlich so heroisch aus der Februarpastete wieder herausfrißt.«
Ich bemerke ausdrücklich, daß es die auswärtigen Fürsten sind, die sich in so wegwerfender Weise über Louis Blanc äußern. Mit größerer Anerkennung würde ich selbst von diesem Tribunen reden, der während seiner ephemeren Machthaberei sich zwar nicht durch Intelligenz, aber desto mehr durch eine fast deutsche Sentimentalität auszeichnete. In allen seinen Reden war er immer von den schönen Gefühlswallungen seines Herzens überwältigt, er wiederholte darin beständig, daß er bis zu Tränen gerührt sei, und er flennte dabei so beträchtlich, daß diese wäßrichte Gemütlichkeit ihm auch jenseits des Rheins eine gewisse Popularität erwarb, indem nämlich die deutschen Ammen und Kindermägde ihren kleinen Schreihälsen, die beständig weinen, den Namen des larmoyanten französischen Demagogen erteilten. Es haben viele über das kindische Äußere desselben gescherzt. Ich aber habe niemals sein Köpfchen betrachten können, ohne von einem gewissen Erstaunen ergriffen zu sein; nicht, weil ich etwa das viele Wissen des Männchens bewundert hätte – nein, er ist im Gegenteil von aller Wissenschaft gänzlich entblößt –, ich war vielmehr verwundert, wie in einem so kleinen Köpfchen soviel Unwissenheit Platz finden konnte; ich begriff nie, wie dieser bornierte, winzige Schädel jene kolossalen Massen von Ignoranz zu enthalten vermochte, die er in so reicher, ja verschwenderischer Fülle bei jeder Gelegenheit auskramte – da zeigt sich die Allmacht Gottes! Trotz allem Mangel an Wissenschaft und Gelahrtheit bekundet Herr Louis Blanc dennoch ein wahrhaftes Talent für Geschichtschreibung. Nur ist zu bedauern, daß er just jene Titanenkämpfe beschreiben
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