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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Lieb, wie sehr du elend bist.
    19.
    Ja, du bist elend, und ich grolle nicht; –
    Mein Lieb, wir sollen beide elend sein!
    Bis uns der Tod das kranke Herze bricht,
    Mein Lieb, wir sollen beide elend sein.
    Wohl seh ich Spott, der deinen Mund umschwebt,
    Und seh dein Auge blitzen trotziglich,
    Und seh den Stolz, der deinen Busen hebt, –
    Und elend bist du doch, elend wie ich.
    Unsichtbar zuckt auch Schmerz um deinen Mund,
    Verborgne Träne trübt des Auges Schein,
    Der stolze Busen hegt geheime Wund’ –
    Mein Lieb, wir sollen beide elend sein.
    20.
    Das ist ein Flöten und Geigen,
    Trompeten schmettern drein;
    Da tanzt den Hochzeitreigen
    Die Herzallerliebste mein.
    Das ist ein Klingen und Dröhnen
    Von Pauken und Schalmei’n;
    Dazwischen schluchzen und stöhnen
    Die guten Engelein.
    21.
    So hast du ganz und gar vergessen,
    Daß ich so lang dein Herz besessen,
    Dein Herzchen so süß und so falsch und so klein,
    Es kann nirgend was Süßres und Falscheres sein.
    So hast du die Lieb’ und das Leid vergessen,
    Die das Herz mir täten zusammenpressen.
    Ich weiß nicht, war Liebe größer als Leid?
    Ich weiß nur, sie waren groß alle beid’!
    22.
    Und wüßten’s die Blumen, die kleinen,
    Wie tief verwundet mein Herz,
    Sie würden mit mir weinen,
    Zu heilen meinen Schmerz.
    Und wüßten’s die Nachtigallen,
    Wie ich so traurig und krank,
    Sie ließen fröhlich erschallen
    Erquickenden Gesang.
    Und wüßten sie mein Wehe,
    Die goldnen Sternelein,
    Sie kämen aus ihrer Höhe,
    Und sprächen Trost mir ein.
    Die alle können’s nicht wissen,
    Nur Eine kennt meinen Schmerz:
    Sie hat ja selbst zerrissen,
    Zerrissen mir das Herz.
    23.
    Warum sind denn die Rosen so blaß,
    O sprich, mein Lieb, warum?
    Warum sind denn im grünen Gras
    Die blauen Veilchen so stumm?
    Warum singt denn mit so kläglichem Laut
    Die Lerche in der Luft?
    Warum steigt denn aus dem Balsamkraut
    Hervor ein Leichenduft?
    Warum scheint denn die Sonn’ auf die Au
    So kalt und verdrießlich herab?
    Warum ist denn die Erde so grau
    Und öde wie ein Grab?
    Warum bin ich selbst so krank und so trüb,
    Mein liebes Liebchen, sprich?
    O sprich, mein herzallerliebstes Lieb,
    Warum verließest du mich?
    24.
    Sie haben dir viel erzählet
    Und haben viel geklagt;
    Doch was meine Seele gequälet;
    Das haben sie nicht gesagt.
    Sie machten ein großes Wesen
    Und schüttelten kläglich das Haupt;
    Sie nannten mich den Bösen,
    Und du hast alles geglaubt.
    Jedoch das Allerschlimmste,
    Das haben sie nicht gewußt;
    Das Schlimmste und das Dümmste,
    Das trug ich geheim in der Brust.
    25.
    Die Linde blühte, die Nachtigall sang,
    Die Sonne lachte mit freundlicher Lust;
    Da küßtest du mich, und dein Arm mich umschlang,
    Da preßtest du mich an die schwellende Brust.
    Die Blätter fielen, der Rabe schrie hohl,
    Die Sonne grüßte verdrossenen Blicks;
    Da sagten wir frostig einander: »Lebwohl!«
    Da knickstest du höflich den höflichsten Knicks.
    26.
    Wir haben viel füreinander gefühlt,
    Und dennoch uns gar vortrefflich vertragen.
    Wir haben oft »Mann und Frau« gespielt,
    Und dennoch uns nicht gerauft und geschlagen.
    Wir haben zusammen gejauchzt und gescherzt,
    Und zärtlich uns geküßt und geherzt.
    Wir haben am Ende, aus kindischer Lust,
    »Verstecken« gespielt in Wäldern und Gründen,
    Und haben uns so zu verstecken gewußt,
    Daß wir uns nimmermehr wiederfinden.
    27.
    Du bliebest mir treu am längsten,
    Und hast dich für mich verwendet,
    Und hast mir Trost gespendet,
    In meinen Nöten und Ängsten.
    Du gabest mir Trank und Speise,
    Und hast mir Geld geborget,
    Und hast mich mit Wäsche versorget,
    Und mit dem Paß für die Reise.
    Mein Liebchen! daß Gott dich behüte,
    Noch lange, vor Hitz’ und vor Kälte,
    Und daß er dir nimmer vergelte
    Die mir erwiesene Güte!
    28.
    Die Erde war so lange geizig,
    Da kam der Mai, und sie ward spendabel,
    Und alles lacht, und jauchzt, und freut sich,
    Ich aber bin nicht zu lachen kapabel.
    Die Blumen sprießen, die Glöcklein schallen,
    Die Vögel sprechen wie in der Fabel;
    Mir aber will das Gespräch nicht gefallen,
    Ich finde alles miserabel.
    Das Menschenvolk mich ennuyieret,
    Sogar der Freund, der sonst passabel; –
    Das kömmt, weil man Madame titulieret
    Mein süßes Liebchen, so süß und aimabel.
    29.
    Und als ich so lange, so lange gesäumt,
    In fremden Landen geschwärmt und geträumt;
    Da ward meiner Liebsten zu lang die Zeit,
    Und sie nähete sich ein Hochzeitkleid,
    Und hat mit zärtlichen Armen

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