Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Zerstörung und Plünderung sicherten, und mein unglückliches, dem Tode gleichfalls geweihtes, Leben retteten. Ich beschwor sie, die Papiere meines Bruders und die meinigen, unter Siegel zu legen. – So verstrich der Tag, für mich und meine im siebenten Monat schwangern Tochter. Inzwischen zeigten mir zwei bewährte Freunde meines Bruders an, daß für mich keine Sicherheit mehr in diesem Hause sei und daß ich es noch vor der Nacht verlassen müßte. Demnach entschloß ich mich, um 9 Uhr abends, mit Gefahr meines Lebens zu diesem Schritt; man hüllte mich in die Kleider einer Dienstmagd, und da ich nicht aus dem Lande fliehen wollte, so erteilte man mir, auf meine Bitte, einen Befehl für den Kommandanten der hiesigen Festung, um mich dahin zu retten, und von hier aus meine und die Unschuld meines unglücklichen Bruders, an den Tag zu legen. Bis 7 Uhr morgens war ich in einem entsetzlichen Regen und Wind auf dem Meere; erst nach 36 Stunden war es mir vergönnt, meine ganz durchnäßten Kleider zu wechseln. Hier endlich fand ich Teilnahme und Wohlwollen bei dem Kommandanten und seinen Offizieren; ihre Behandlung war voll von Achtung und Menschlichkeit, und mein erster Schritt war sogleich, mich wegen meines unglücklichen Bruders und meiner, an die öffentliche Gerechtigkeit zu wenden. O meine teure Freundin!Ich habe nur die Hälfte meiner Leiden erzählt! Wie schrecklich war dieser einsame Aufenthalt meinem traurigen Herzen. Ich habe einen Monat ganz allein mit meinem Kammermädchen zugebracht, die sich, am Morgen nach meiner Ankunft, hier bei mir eingefunden hat: weder meine Kinder, noch sonst irgend jemand sah ich; ich habe selbst gefordert, daß man mich mit Briefen bis zu meinem Verhör verschonen möchte. – Übrigens, teure Freundin, bin ich, wie schon bemerkt, weder Gefangene, noch so behandelt, und es steht jedermann frei, mir zu schreiben. Ich bekomme in diesem Augenblick Ihr kleines Billet, und die Teilnahme, die Sie mir darin zu erkennen geben, rührt mich. Sehr schwach bin ich und krank am Fieber – ich habe ganz allein und ohne Hülfe meine Verteidigungsschrift aufgesetzt, meine Sache spricht für sich selbst; doch fühle ich mich sehr ermüdet davon. Ach! Mein Leben ist durch die Rückerinnerung an das Schicksal meines lieben Bruders verbittert! –
Hier schicke ich Ihnen die Abschrift meines schrecklichen und unglaublichen Verhörs; es ist von mir ins Französische übersetzt worden. Ich hatte das Fieber und lag im Bett; der Kriegsrat, der mich verhörte, saß im Kreise um mein Bett herum. –
Adieu! Den Ort, wohin ich mich wenden werde, weiß ich noch nicht; aber Sie sollen darüber Auskunft von mir erhalten.
Verhör der Gräfin Piper
Gehalten vor einem Kriegsgericht in der Festung Waxholm
den 3. August 1810
Frage 1. Da das Verhör und die Untersuchungen, welche statthaben werden, im Verfolg auf das eigne Begehren der Frau Gräfin von Piper, stattfinden, so ist vorauszusetzen, daß dieselbe von dem Verdacht, der auf sie gefallen ist, Kenntnis habe. Demnach bin ich beauftragt, die Frau Gräfin zu fragen, was sie darauf zu entgegnen hat, und ob sie eröffnen kann, aus welcher Quelle ein Verdacht dieser Art, seinen Ursprung nehmen mag?
Antwort. Ich habe nichts zu sagen, außer dies, daß die Gerüchte, in bezug auf mich, gänzlich ohne Grund sind.
Frage 2. Kennt die Frau Gräfin die Ursachen, die zu dem Verdacht gegen Sr. Exzellenz den Herrn Reichsmarschall Veranlassung gegeben haben?
Antwort. Dieser Verdacht ist auf gleiche Weise, völlig nichtig und grundlos.
Frage 3. Weiß die Frau Gräfin irgend etwas das über die traurige Veranlassung, die diesen gerichtlichen Untersuchungen zum Grunde liegt, Licht verbreiten mag?
Antwort. Nicht das mindeste.
Frage 4. Wann hat die Frau Gräfin die Ehre gehabt, Sr. Königl. Hoheit den Kronprinzen zum ersten Male zu sehn?
Antwort. An der Abendtafel Ihrer Majestät der Königin, ohngefähr 14 Tage nach der Ankunft Sr. Hoheit in Stockholm.
Frage 5. War Sr. Exzellenz der Herr Reichsmarschall gegenwärtig bei dieser Gelegenheit?
Antwort. Ja.
Frage 6. Hat Sr. Hoheit der Kronprinz jemals in dem Hause Fersen, oder abgesondert bei Sr. Exzellenz dem Herrn Reichsmarschall einen Besuch abgestattet?
Antwort. Niemals.
Frage 7. Wann und wo hat die Frau Gräfin seit jenem Abendessen die Ehre gehabt, Sr. Königl. Hoheit wieder zu sehen?
Antwort. Ebenfalls wieder nur bei einigen Abendessen an Ihrer Majestät, der Königin, Tafel.
Frage 8. Hatte Sr. Hoheit
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