Saemtliche Werke von Jean Paul
überließ. Der Leidensweg des baireuther Theologen hatte ihn zermürbt, und vergebens sah der gläubige Blick seines ältesten Sohnes zu ihm als zu seinem Gott auf, dort Grundsätze und sinnvolles Planen vermutend, wo nur noch ein aufgebrauchter Mensch seine Müdigkeit hinter tyrannischer Maske versteckte.
So kam auch für den armen Dorfpfarrer die Berufung auf eine reichere Stelle zu spät. Die Pfarrstelle in Schwarzenbach an der Saale hatten abwechselnd der Graf von Schönburg-Waldenburg und die Baronin von Plotho zu besetzen. Der Zufall wollte es, daß, als der alte Pfarrer Barnickel in Schwarzenbach starb, diesmal Richters Gönnerin an der Reihe war. So wurde er voziert. Ein Umschwung des Geschicks hätte eintreten können. Aus dem »Quintus Fixlein« wissen wir, wie entscheidend eine solche Vozierung in das Leben der armen Hungerleider eingreifen kann. Man hätte also meinen können, daß seine Berufung nach Schwarzenbach jubelnde Freude in dem armen Dorfpfarrer ausgelöst hätte. Aber »ernst und traurig brachte er die Freudenpost«, und die Trennung von der alten Gemeinde stand im Vordergrund.
Jean Paul war im dreizehnten Lebensjahr, als »das stille, ruhige, unbegaffte, einfache Stilleben des Dorfes« hinter ihm versank und die Familie nach Schwarzenbach übersiedelte.
Schwarzenbach ist ein »kleines Städtchen oder großer Marktflecken« an der Saale. Es hatte viel vor Joditz voraus: »einen Pfarrer und einen Kaplan – einen Rektor und einen Kantor – ein Pfarrhaus voll kleiner Stuben und zwei große. Diesem gegenüber zwei große Brücken mit der dazugehörigen Saale – und auch gleich daneben das Schulhaus, so groß (wenn nicht größer) wie der ganze Joditzer Pfarrhof, und unter den Häusern noch ein Rathaus, nicht einmal gerechnet das lange leere Schloß.«
Gerade mit dem neuen Pfarrer trat auch ein neuer Rektor sein Amt an. Werner war ein Mann nicht tiefen Wissens, aber feuriger Beredsamkeit, die nach Gegenständen suchte, um sich an ihnen zu entzünden. Er wurde der hauptsächliche Lehrer des Knaben, der in dem neuen Ort endlich in eine regelrechte Schule kam. Werner hatte den Grundsatz, sich nicht lange bei grammatikalischen Vorbereitungen aufzuhalten, sondern seine Schüler nach Durchnahme des Nötigsten sogleich in die Lektüre der Klassiker einzuführen. Fritz mußte den Sprung von Langens Grammatik in den Cornelius Nepos tun, und es ging. Für ihn war eine Methode geeignet, die die meisten andern Schüler von Fortschritten geradezu ausschloß. So ging es im Griechischen nach notdürftigstem Erlernen der Deklination und Konjugation sogleich an die Lektüre des Neuen Testaments, und ein Jahr später folgte die Lektüre des ersten Buches Mosis im Original.
Die Schulstube faßte »Abcschützen, Buchstabierer, Lateiner, große und kleine Mädchen, welche wie an einem Treppengerüste eines Glashauses oder in einem alten römischen Theater, vom Boden bis an die Wand hinauf saßen und Rektor und Kantor samt allem dazugehörigen Schreien, Summen, Lesen und Prügeln in sich. Die Lateiner machten gleichsam eine Schule in der Schule.« Der lernbegierige Fritz wurde im Umsehen zum Mittelpunkt des Unterrichts, denn sein »fliegendes Fortschreiten« gab dem Rektor die Bestätigung von der Richtigkeit seiner Theorie, die im allgemeinen Basedowschen Grundsätzen folgte. Fritz »verliebte sich ordentlich in das hebräische Sprach- und Analysiergerümpel und Kleinwesen… und borgte aus allen schwarzenbachischen Winkeln hebräische Sprachlehren zusammen, um über die diakritischen Punkte, die Vokabeln, die Akzente und dergleichen alles aufgehäuft zu besitzen, was bei jedem einzelnen Worte analysierend aufzutischen ist… Was noch von des Quintus Fixlein Treibjagd in einer hebräischen Foliobibel nach größeren, kleineren, umgekehrten Buchstaben geschrieben steht, läßt sich wörtlich mit allen Umständen auf Pauls eigenes Leben anwenden.«
In Schwarzenbach erhielt er auch endlich Unterricht im Klavierspiel. Kantor Gressel brachte ihm einige Tanzstücke und die gewöhnlichsten Choralgriffe und Generalbaßziffern bei. Aber auch auf diesem Gebiet wuchs Fritz im Handumdrehen über seinen Lehrer hinaus, stürzte sich mit Feuereifer in die neue Welt und lernte die musikalische Grammatik: den Generalbaß, durch viel Phantasieren und Notenspielen »etwa so, wie wir die deutsche durch Sprechen«.
Das erste Buch, das er damals in die Hand bekam, war der »Robinson Crusoe«, der ihn »bis zum körperlichen
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