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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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einem umfassenden Sinne als Seher und Lehrer. Schon in der »Unsichtbaren Loge« nehmen erzieherische Fragen einen großen Raum ein. Was er später in der »Levana« didaktisch auseinanderlegte, das breitet schon sein erster Roman in poetisch verklärtem Lichte auseinander. Der Genius erzieht seinen Zögling unter der Erde nach sorgsam mitgeteilten Grundsätzen, und als Jean Paul, die Romanfigur, selber Gustavs Erziehung übernimmt, spricht er sich auf wiederum nicht weniger als fünfzehn Seiten über Erziehung aus.
    »Abscheulich ist’s, daß auch schon unsere Kinder lesen und sitzen und den Steiß zur Unterlage und Basis ihrer Bildung machen sollen. Das belehrende Buch ersetzt ihnen den Lehrer nicht, das belustigende das gesündere Spielen nicht.« Er will die Freiheit der Kleinen nur ungemerkt, aber mit fester Hand leiten und zu festgesteckten Zielen führen. »Wir Erwachsene ständen den abscheulichen Schulzwang unserer Abkommenschaft keine Woche aus, so vernünftig wir sind; gleichwohl muten wir es ihren mit Ameisen gefüllten Adern zu.« Der Erzieher wird hier zum Anwalt der Jugend, und weil er es im Grunde war und seine Zöglinge es merkten, deshalb allein konnte er ihnen die größten Leistungen abgewinnen. Den modernen Gedanken, durch Spielen zu lehren, hat er sich bereits vollkommen zu eigen gemacht, aber ihm auch eine Fassung gegeben, die allein ihn zu rechtfertigen vermag: »Spielender Unterricht heißt nicht, dem Kinde Anstrengungen ersparen und abnehmen, sondern eine Leidenschaft in ihm erwecken, welche ihm die stärksten aufnötigt und erleichtert.« Mit solchen Gedanken durchbrach er die übliche Schablone der Jugenderziehung, unter der er selber gelitten, und nicht in einem fachwissenschaftlichen Werke, sondern in einem Roman; aber wieder nicht als spielender Ästhet, sondern als praktischer Erzieher. Das ist seine pädagogische Bedeutung: daß er diese Grundsätze mehreren Generationen von Lesern immer wieder einhämmerte, und es in einer überredenden Art, aber mit der ganzen tiefen Menschenkenntnis des idealen Erziehers tat.
    Schon in der »Unsichtbaren Loge« legte er auch die erste Bresche in die bis dahin als allgemeingültig hingenommene humanistische Erziehung. Es hing mit seiner geistigen Einstellung überhaupt zusammen, daß er sie nicht als das Alleinseligmachende hinnehmen wollte. Er bestreitet ihre bildende Kraft und stellt zum Beweise seiner Behauptung die Gestalten der Vertreter klassischer Bildung vor unser Auge. »O ihr Konrektoren und Gymnasiarchen, die ihr über die Devalvation der Alten winselt und greint, wenn sie noch Augen hätten, sie würden über eure Valvation weinen! – Es gehören andere Herzen und Seelenflügel (nicht bloße Lungenflügel) dazu, als in euren pädagogischen Rümpfen stecken, um einzusehen, warum die Alten Plato den Göttlichen nannten, warum Sophokles groß und die Anthologen edel sind.« »Die Muster haben ja selber ohne Muster geschrieben und Polyklets Bildsäule wurde nach keiner Polyklets-Bildsäule geregelt. Trotz dem Studium der geschriebenen Antiken lag sonst in Deutschland und liegt noch in Italien die dichtende Schöpferkraft auf dem Siechbett.« »Die Griechen und Römer wurden Griechen und Römer ohne die formale Bildung von griechischen und lateinischen Autoren – sie wurden es durch Regierung und Klima.« Hier ist das Ziel angedeutet: frei von fremdem Muster aus unsern Bedingungen heraus die uns entsprechende Form zu gewinnen. »Die Muster haben ja selber ohne Muster geschrieben.« Er weiß, daß kein Muster, und stünde es noch so hoch, die Kraft ersetzen kann, die aus dem eigenen Innern quillt. Diese Kraft auszulösen durch eine Erziehung, die immer nur die vorhandenen Seelenkräfte freimachen will, ist das große Thema Jean Paulscher Dichtung.
    Aber dieses Problem hatte auch eine andere Seite, die in den mitgeteilten Sätzen bereits angedeutet ist: die »Rektoren und Gymnasiarchen«, die der deutschen Jugend das Bildungsgut der Griechen und Römer zu vermitteln haben und selbst diesem Geist der Alten so ferne stehen. Man konnte diese Bemühungen der deutschen Schulmänner um das Erbe der Alten ebensogut unter dem Gesichtspunkt der Karikatur ansehen, als unter dem der Idylle. Das boshafte Auge konnte bemerken, welche Zerrbilder gerade die Beschäftigung mit den Alten aus guten deutschen Schulmeisternaturen machte; das gütige Auge des Idyllendichters konnte die Leiden und Freuden eines deutschen Schulmeisterlebens mit liebevoller

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