Säule Der Welten: Roman
zu erwähnen.
»Alles herhören!« Das war der Anführer von Corinnes Truppe. »Wir haben soeben Flosse passiert, und ich habe die Signalrakete gezündet. In zwei Minuten kommt es wieder vorbei, und bis dahin haben sie ein Netz abgelassen! Wir werden in diesem Netz landen - alle. Dann zieht man uns nach Flosse hinauf. Wir müssen zusammenbleiben. Sonst geht noch jemand verloren.«
»Taucht Sacrus nicht vorher auf?«, fragte eine Stimme.
»Ja. Deshalb alle nach oben, die eine Waffe haben. Und entwirrt diese Tücher, sie können uns Deckung geben.«
Bei Spyres Drehrichtung würden zuerst Buridan und dann Sacrus vorbeirasen, bevor Flosse wieder in Sicht kam. Die Soldaten von Sacrus waren Veneras Leuten dicht auf den Fersen gewesen, als sie sich ins Untergeschoss drängten. Sicherlich schafften sie jetzt die schweren Maschinengewehre nach unten, vielleicht auch Granaten oder - sie durfte nicht darüber nachdenken, denn es war nicht zu ändern. Zumindest für ein paar Sekunden würden Venera und ihre Leute schutzlos in der Luft hängen und ein leichtes Ziel abgeben.
»Autsch!«, sagte eine Frau neben Veneras Füßen: »Ich … Autsch! He, o mein Gott!« Sie stieß einen spitzen Schrei aus, der sich zu schrillem Kreischen steigerte.
Venera fuhr herum. Schwarze Schatten umflatterten die Silhouette, schwer zu erkennen, aber in wachsender Zahl. »Piranfalken!«, rief jemand.
Sekunden später waren es Tausende, eine brodelnde Wolke, in der die schreiende Frau verschwand. Man hörte ein grässliches Würgen, dann nichts mehr. Die klatschenden Flügel waren überall, sie strichen über Veneras Kehle und zerzausten ihr das Haar, aber bisher hatte sie noch keinen Schnabelhieb gespürt.
Niemand sprach ein Wort. Niemand bewegte sich, und nach etwa einer Minute zog sich die Wolke in die Länge, und die Piranfalken entfernten sich. Zurück blieb ein Wirbel aus schwarzen Federn und roten Pünktchen mit einem grausigen blut- und fleischlosen Kern.
»Achtung! Da kommt der Luftkatarakt!« Venera blickte noch rechtzeitig auf, um das Gitterwerk von Trägern vorbeiflitzen zu sehen, auf dem sich der Buridan-Turm erhob. Im nächsten Moment wurde sie von einer Windfaust getroffen.
Garth wurde ihr fast von der Hand gerissen. Zwei Leute, die sich nicht von den schwarzen Tüchern befreit hatten, wurden einfach weggeweht und verschwanden binnen weniger Augenblicke zwischen Stacheldraht und Minen in der Ferne. Andere ließen ihre Nachbarn für eine Sekunde los und wurden langsam und gemächlich davongetragen, als der Luftkatarakt weiterdrehte und die Luft wieder ruhiger wurde.
»Das Seil! Fangt das Seil!« Die Leinen wurden ausgeworfen, und die Leute schnappten verzweifelt danach. Plötzlich schüttelte sich einer der Männer, die ein paar Meter weit abgetrieben worden waren, und geriet ins Trudeln. Hinter ihm zogen sich schwarze Fäden durch die Luft und zersprangen zu Tausenden von roten Tröpfchen. Maschinengewehrfeuer war zu hören.
»Sacrus! Feuer erwidern!« Alle eröffneten das Feuer auf den kleinen Rohrknoten und das Maschinengewehrnest, die nun auf sie zugerast kamen. Leuchtspuren umrahmten und zerstückelten die Aussicht auf lila Wolken und gelbes Sonnenlicht. Venera blinzelte, konnte nichts sehen, schwenkte zögernd ihre Pistole. Dann drehte sich Sacrus nach oben weg, und die Schüsse verstummten.
»Alles bereitmachen!«
Bereit? Bereit wofür? - Venera schwebte schlaff in der Luft, und das bewahrte sie wahrscheinlich vor einem Genickbruch, als das Netz sie erfasste. Dünne Maschen schnitten ihr in Gesicht und Hände, und wieder wurde sie in den Luftstrom gezogen, schneller und immer schneller, bis sie nicht mehr atmen konnte und schwarze Punkte vor ihren Augen tanzten. Gerade als das Heulen und Reißen des Hurrikans unerträglich zu werden
drohte, hörte es so unvermittelt auf, dass sie eine Weile nur dalag und ins Nichts starrte. Allmählich unterschied sie Stimmen, eine schwere Klappe wurde geschlossen, der Wind verstummte. Von einer Decke aus Metall hingen brennende Laternen, Schatten huschten hin und her. Sie drehte sich auf die Seite.
Neben ihr richtete sich Garth Diamandis auf und betastete vorsichtig seinen Hinterkopf, dann sah er sich um und betrachtete die vielen Menschen. »Wo sind wir?«
»Bei Freunden«, antwortete sie. »In Sicherheit. Jedenfalls vorerst.«
Blut rann in den Abfluss, feine Rinnsale im größeren Wasserstrom. Nach allem, was Venera erlebt hatte, konnte sie kaum fassen, dass nichts von
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