Säule Der Welten: Roman
verqualmten Licht, dass die große Metalltür zur Schatzkammer offen stand.
Das Treppenhaus war jetzt frei. Bryce und die anderen hatten es erreicht, aber Venera war zu langsam gewesen. Soldaten von Sacrus tauchten aus den Qualmwolken auf. Ihre Gesichter verschwanden im Halbdunkel. Venera rappelte sich auf, wäre fast in einer Blutlache ausgerutscht und stolperte in die Schatzkammer. Auf dem Teppich fanden ihre Füße Halt, sie lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die kalte Tür und schob sie langsam zu. Im letzten Moment vibrierte sie noch unter mehreren Schüssen.
Venera bewegte das Rad im Zentrum des Türblatts, drehte sich um und stemmte sich wieder dagegen. Ein Echo dröhnte ihr in den Ohren; oder war es immer noch der Lärm der Kämpfe, nur gedämpft durch Eisen und Stein?
Sie trat vor, hob die Arme und sah, dass sie über und über voll Blut waren. Ihr Fuß stieß gegen ein Hindernis, sie stolperte und schaute nach unten. Es war ein Leichnam
- ein Sacrus-Soldat, vielleicht derselbe, der ihr durch das Glasfensterchen in die Augen gestarrt hatte. Er lag auf dem Rücken, unter seinem Kopf bildete sich eine Blutlache.
Jemand hatte ihm den Bauch aufgeschlitzt, die Eingeweide hingen aus seiner Körperhöhle.
Wieder bekam es Venera mit der Angst zu tun. Sie wich zurück bis an die Tür, zog ihre Pistole und inspizierte sie. Es wäre fatal, wenn sie versagte, weil Blut im Lauf war. Lange stand sie völlig still und lauschte, dann wagte sie endlich, sich umzusehen.
Der Raum war groß und quadratisch und dank der kleinen elektrischen Scheinwerfer über den Dutzenden von Postamenten besser beleuchtet als der Korridor. Die Postamente hatte sie schon von draußen gesehen, jetzt erstrahlten die Kanister und Kästen darauf in surrealer Pracht. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, aber sie glaubte, gegenüber der Tür, durch die sie eingetreten war, eine zweite zu erkennen.
Irgendwo gluckste eine Frau leise vor sich hin; das Glucksen steigerte sich zu einem Lachen kindlichen Entzückens.
Venera umrundete den Raum mit schnellen Spurts von einem Postament zum anderen. Woher die Laute kamen, war schwer festzustellen, weil die hohe Decke jedes Geräusch reflektierte. Durch den Boden war immer noch leise der Gefechtslärm zu hören.
Das Lachen kam wieder - diesmal nur wenige Meter entfernt. Venera umrundete ein breites Postament, auf dem ein Geschütz thronte, und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Die Pistole in ihrer Hand war vergessen.
Jemand hatte von diesem Sockel ein großes Uhrwerk heruntergestoßen. Es lag zerbrochen auf dem Boden. Kleine Rauchschwaden stiegen davon auf. Stattdessen waren auf dem Postament die Überreste eines Mannes ausgebreitet.
Blut tropfte auf den Boden, und in der Pfütze kniete eine Frau. Sie war splitternackt und badete - nein, suhlte sich - in den Körperflüssigkeiten und den glitschigen Gedärmen, die sie aus dem Männertorso holte. Gerade nahm sie eine Handvoll von dem Zeug, drückte es aus wie einen nassen Schwamm, bestrich sich damit die Haut und winselte vor Wollust.
Venera hob die Pistole und zielte sorgfältig. »Margit! Was tust du da?«
Die ehemalige Botanikerin von Liris legte den Kopf schief. Dann grinste sie und hob die blutigen Hände.
»Kapierst du nicht?«, fragte sie. »Das sind Kirschen! Herrlich rote Kirschen, reif und saftig.«
»W-wer …« Schlagartig fielen Venera die prahlerischen Worte des Hauptmanns wieder ein, er habe sich für Garth eine besonders grauenvolle Todesart ausgedacht. Sie trat vor und starrte, von Ekel geschüttelt, auf die wenigen Kleidungsstücke, die noch zu erkennen waren. Diese Stiefel - sie wurden in der Armee von Sacrus getragen.
»Sie haben mir vertraut«, sagte Margit und ließ sich in die klebrige Pfütze zurücksinken. »Die beiden kannten mich - deshalb ließen sie mich ein. Als die Bomben losgingen, öffnete sich ein kleiner Spalt zwischen Wand und Tür - die Angeln waren gebrochen! Ich stieß die Tür meines kleinen Zimmers einfach auf und rannte hinaus! Niemand war da, um mich aufzuhalten.
Deshalb kam ich hierher und brachte ihn mit.«
»Wen hast du mitgebracht?«
Margit hob die Hand und deutete in den Schatten eines anderen Postaments. »Ich hatte ihn gerade erst bekommen. Ein Geschenk.«
»Garth!« Venera rannte zu ihm. Er lag auf der Seite und war ohne Bewusstsein, aber er atmete. Seine Hände waren hinter dem Rücken gefesselt. Venera kniete nieder, um die Knoten zu lösen, und legte ihre Pistole ab, weil
Weitere Kostenlose Bücher