Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
Vom Netzwerk:
ihrem Blut darunter war. Eigentlich hätte sie nach der vergangenen Nacht von Kugeln durchsiebt sein müssen.
    Die Waschräume von Flosse waren primitiv, aber das Wasser war wunderbar heiß. Sie blieb lange in dem rostigen Metallkasten, der als Dusche diente, ließ die Fluten an sich hinablaufen und hielt auch das Gesicht hinein. Ohne zu denken, doch noch immer zitterten ihre Hände.
    Laute Schläge schreckten sie auf, fast wäre sie ausgerutscht. Venera riss die Blechtür auf. »Was ist?«
    Bryce stand vor ihr und starrte sie empört an. Beim Anblick ihres nackten Körpers wurde er unsicher. Wie gebannt beobachtete sie, wie sich sein Blick senkte, innehielt, nach unten wanderte, wieder zum Stillstand kam. Dann riss er sich zusammen und schaute ihr in die Augen. »Sie werden den ganzen Heißwasservorrat verbrauchen«, sagte er sachlich.

    Sie knallte die Tür zu, aber es war schon zu spät; seine Augen hatten eine Linie über ihren Körper gezogen, sie konnte es förmlich spüren. »Und wenn schon!«, gab sie forsch zurück. »Sie sind ein Mann - dann duschen Sie eben kalt.«
    »Nicht, wenn ich es verhindern kann.« Neben der Kabine klapperte etwas. »Da ist ein Haupthahn, aber ich weiß nicht, ob für das kalte oder für das heiße Wasser. Ich drehe einfach ein paarmal …«
    Sie riss die Tür wieder auf, stolzierte an ihm vorbei, griff nach dem Lappen, den man ihr anstelle eines Handtuchs gegeben hatte, und hüllte sich darin ein, so gut es ging. Als sie merkte, wie er sie abermals beobachtete, baute sie sich vor ihm auf. »Und?«, fragte sie. »Worauf warten Sie noch?«
    »Wie bitte?«
    »Rein mit Ihnen!« Sie verschränkte die Arme und wartete. Bryce drehte ihr beim Ausziehen den Rücken zu, aber sie ersparte ihm nichts. Jetzt hatte sie die Rolle des Bewunderers übernommen. Mit einem Blick, in dem sich Missmut und Belustigung mischten, trat er in die Kabine.
    Venera beugte sich vor. Der Hahn, von dem er gesprochen hatte, befand sich tatsächlich neben der Kabine. Sie hatte gute Lust, ihrerseits daran zu drehen - sie glaubte seine Schreie schon zu hören -, aber nein. Sie war schließlich kein Kind mehr.
    Sie verließ den Waschraum und ging vorsichtig über den Gitterboden zu dem Kämmerchen, das Flosse für sie reserviert hatte. Doch zuvor suchte sie ohne Rücksicht auf die Blicke der anderen, die mit ihm auf dem Korridor einquartiert waren, Garth Diamandis auf. Er
war wach, aber teilnahmslos. Dennoch lächelte er ein wenig, als er sie sah.
    »Wie schön, dass du dich für mich so in Schale geworfen hast«, murmelte er.
    Venera strich ihm das Haar aus der Stirn. »Was hast du?«
    Er schaute zur Seite, seine Lippen zuckten. Endlich: »Sie war es. Sie hat mich verraten.«
    »Deine Frau? - Ehefrau? Geliebte?«
    Ein tiefer Seufzer. »Meine Tochter.«
    Venera wich erschrocken zurück. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, ihr Bild von diesem Mann hatte sich mit einem Schlag von Grund auf verändert. »Oh, Garth«, sagte sie unbeholfen. »Es tut mir so leid.« Wir Töchter tun eben solche Dinge, dachte sie, aber sie sprach es nicht aus.
    Sie hielt eine Weile seine Hand, bis er sie ihr sanft entzog und sich auf die Seite drehte. »Dir ist doch sicher kalt«, sagte er. »Geh, und ruh dich aus.« Nur zögernd ließ sie ihn auf seiner Pritsche im Korridor zurück.
    Sie dachte über diesen erstaunlichen neuen Garth nach, während sie zu ihrem Schlafplatz zurückging. Sie fand sich hier nur schwer zurecht; die Nation Flosse maß an der breitesten Stelle weniger als zehn Meter. Da sie tatsächlich eine Flosse war, ein Querruder zur Steuerung von Spyres Drehimpuls und Drehrichtung, war sie windschnittig gestaltet und innen kreuz und quer mit Trägern verstärkt. Die Bürger der Mini-Nation hatten den Flügel von unten bis oben mit Stockwerken und Räumen vollgepackt und nur widerwillig ein paar Leiterschächte vorgesehen. Garth lag an sich nicht in einem Korridor, sondern nur an einem der mehr oder weniger
verschlungenen Verbindungswege zwischen den Räumen, die das Stockwerk der Länge nach durchzogen. So etwas wie Privatsphäre gab es nur in den Schlafräumen, wo das allgegenwärtige Tosen der Luft gleich hinter den Wänden alle anderen Geräusche übertönte.
    Flosse hatte nicht genügend Kapazität, um siebzig Menschen zusätzlich aufzunehmen. Corinne hatte Venera ungeduldig mitgeteilt, sie müssten alle bis zum Einbruch der Dunkelheit wieder abziehen. Venera war das recht - sie musste später ohnehin zu einer

Weitere Kostenlose Bücher