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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Rat hatte das bei der Aufregung niemand bemerkt.
    Melissa Ferania stand prompt auf und verneigte sich vor Guinevera.
    »Mein liebes, liebes Kind«, stammelte er, und die Tränen traten ihm in die Augen.
    »Ich habe noch mehr Namen«, sagte Venera mit einem Blick auf Jacoby Sarto. Alle anderen starrten auf die Galerie, und er nützte die Gelegenheit, ihren Blick zu erwidern und ihr zuzunicken.
    Venera hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen.
    Sie hatte, um mit dieser Gegenüberstellung die größtmögliche Wirkung zu erzielen, Freiwillige unter den
soeben Geretteten gebeten, die angesetzte Ratsversammlung mit ihr zu besuchen. Garth allein, bleich und immer noch nicht bereit, über seine Erlebnisse im Turm zu sprechen, hatte sich geweigert; er war draußen auf der Straße geblieben. Dafür waren Gefangene von Liris und einem halben Dutzend anderer kleiner Nationen ihrer Bitte gefolgt. Als Trumpfkarte hatte sie Personen mitgebracht, die aus den großen im Rat vertretenen Nationen geraubt worden waren.
    Sarto schien diese Taktik nicht nur kaltzulassen, er wirkte sogar zufrieden.
    Venera merkte erst jetzt, dass sich eine drohende Stille über den Saal gesenkt hatte. Aller Augen ruhten jetzt auf ihr: Sie räusperte sich und sagte - sie hörte sich selbst wie aus weiter Ferne: »Ich stelle den Antrag, Sacrus unverzüglich das Misstrauen auszusprechen und ihm seinen Sitz im Rat von Spyre zu entziehen. Vorbehaltlich … äh … vorbehaltlich einer eingehenden Untersuchung seiner jüngsten Aktivitäten.«
    Pamela Anseratte schien ganz ungewohnt aus dem Konzept gebracht zu sein. »Äh … wie war das?« Nur mühsam riss sie den Blick von der Galerie los.
    August Virilio lachte. »Sie will, dass wir Sacrus ausstoßen. Eine großartige Idee, wenn ich das so sagen darf - nur leider nicht durchführbar.«
    Venera hatte sich wieder gefasst. Sie zuckte die Achseln. »Einen Sitz gewonnen, einen Sitz verloren … Außerdem«, fuhr sie mit lauterer Stimme fort, »ist es eine Frage der Gerechtigkeit.«
    Virilio spielte mit einem Stift. »Mag sein. Mag sein - aber Buridan hat seinerseits vergessen, vor dem Überfall auf Sacrus eine Kriegserklärung abzugeben. Damit
ist Ihre moralische Überlegenheit schon wieder dahin, meine Liebe.«
    »Das gilt aber nicht für sie .« Sie deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Menschen hinter sich.
    »Eine großartige Inszenierung«, gab Virilio trocken zurück. »Die Mehrheit unserer Ratsmitglieder ist über Ihre Enthüllungen sicherlich gebührend schockiert. Aber wir müssen praktisch denken: Sacrus ist für Spyre zu wichtig, um für solche Vergehen, so gravierend sie auch sein mögen, aus dem Rat verstoßen zu werden. Obendrein war Jacoby Sarto gerade eben im Begriff, schwere Vorwürfe gegen Sie zu erheben.«
    Wieder wurde durcheinandergerufen und aufgeregt gestikuliert - und doch schien es Venera, als wäre sie mit Jacoby Sarto allein im Raum. Sie sah ihn an, und er wich ihrem Blick nicht aus. Sein Gesicht war jetzt völlig ausdruckslos.
    Wenn er das nächste Mal den Mund aufmachte, würde er diesen Leuten ihre wahre Identität offenbaren: er würde sie als Venera Fanning ansprechen, und der Klang ihres Namens würde das ganze Gebäude, das sie errichtet hatte, wie mit einer riesigen Hand zum Einsturz bringen. Obwohl die meisten ihrer Verbündeten wussten oder vermuteten, dass sie eine Schwindlerin war, hatten sie es bisher aus Höflichkeit oder Berechnung vermieden, das offen auszusprechen. Wenn sie jedoch zugeben müssten, was sie bereits wussten, sagte sie sich, würden sie feststellen, dass sie, Venera, perfekt zum Sündenbock für den bevorstehenden Krieg taugte. Alle würden sie im Stich lassen oder zumindest nicht mehr auf sie hören. Sarto konnte sie jederzeit zur Ausgestoßenen oder zur Gefangenen
machen … Wenn sie nicht ihrerseits eine Bombe platzen ließ.
    Sie hatte sich auf dieses Vabanquespiel eingelassen, indem sie hierherkam. Im Geiste hatte sie den Ablauf immer und immer wieder geprobt: Sarto würde enthüllen, dass sie die berüchtigte Venera Fanning war, die in den Prinzipalitäten hässliche Skandale ausgelöst hatte. Die Stimmung würde sich gegen sie wenden, und sie müsste mit einer eigenen Enthüllung kontern. Sie würde den Bürgern von Spyre von dem Schlüssel zu Candesce erzählen und deutlich machen, dass er der Anlass für den kommenden Krieg sei - eines Krieges, den Sacrus aus purem Eigennutz angezettelt habe.
    Und jetzt war es so weit. Sarto schloss die Augen,

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