Säule Der Welten: Roman
auf Jacoby Sartos Kopf gerichtet. Aber Garth war verwirrt; die Menschen rannten und schrien durcheinander, während über ihm
glatte Rauchfahnen den Himmel teilten. Er war ganz sicher, dass sie sich in Klein-Spyre befanden. Die Granitstimme des Mannes, der ihn verhört hatte, hing ihm immer noch in den Ohren, und seine Arme und Beine waren übersät mit Brand- und Schnittwunden und tobten vor Schmerzen.
Er hatte darauf bestanden, heute mitzukommen, und jetzt bereute er es. Früher, als junger Mann, hatte er sich von allen Strapazen rasch wieder erholt. Doch das war vorbei. Die Schwerkraft hier drückte ihn nieder, und zum ersten Mal wünschte er sich zurück nach Groß-Spyre, wo er immer noch wie ein Junge auf die Bäume klettern konnte. In all den Jahren, seit er allein lebte, hatte er sich mit sich selbst und seiner Vergangenheit arrangiert. An manchen Tagen hatte er sich wirklich wieder wie ein junger Bursche gefühlt. Und dann war die Frau, die jetzt vor ihm mitten auf der Hauptstraße dahinstolzierte, am Himmel erschienen wie ein brennendes Kreuz und hatte sein Leben auf den Kopf gestellt.
Immer wieder hatte er überlegt, ob er sich nicht einfach aus dem Staub machen sollte. Venera war schließlich die Selbstständigkeit in Person. Sie würde ihn nicht vermissen. Ein paarmal war er sogar aus der Tür des Buridan-Anwesens getreten. Doch wenn er dann die halbvertrauten, verschwiegenen Straßen entlangschaute, wurde ihm klar, dass er nirgendwohin konnte - nirgendwohin, genauer gesagt, wenn er nicht Selene fände, die Tochter der Frau, die er geliebt und derentwegen man ihn in die Verbannung geschickt hatte.
Die Logik sagte ihm, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war. Venera hatte diesen törichten Krieg mit Sacrus angefangen, und sie konnte nicht gewinnen.
Wenn er, Garth, klug war, dann ergriff er jetzt die Flucht, versteckte sich und leckte seine Wunden. Danach …
Genau. Dieses Danach war das Problem. Er hatte Selene gefunden, und sie hatte ihn verraten. Sie gehörte Sacrus - hatte sich anwerben lassen wie die Leute, die laut Moss viele souveräne Gebiete von Spyre verlassen hatten. Sacrus hatte Selene etwas versprochen, man hatte sie belogen, es musste so sein. Aber Garth war zu alt, um gegen diese Übermacht zu kämpfen, und zu alt, um sich all die geistreichen Wahrheiten einfallen zu lassen, mit denen er vielleicht das Herz seiner Tochter gewinnen könnte.
Selene, sein eigen Fleisch und Blut, hatte ihn verraten. Und Venera Fanning, die ihm nichts schuldete, hatte ihr Leben riskiert, um ihn zu retten.
Er stieß sich von der Wand ab und bemühte sich, sie einzuholen.
Ein Mann kam die breiten Stufen des Justizministeriums heruntergelaufen. Er schwenkte die Arme über den Kopf. »Nicht dorthin! Nicht sicher!«
Venera hielt inne und sah ihn an. »Sie sind einer von Bryces Leuten.«
»Richtig, Miss Thrace-Guiles.« Garth musste über den Mut des Mannes lächeln; diese Demokraten lehnten es ab, andere Leute mit ihrem Titel anzusprechen. Venera schien es gar nicht zu bemerken. Die beiden verständigten sich hastig. Garth konnte von ihrem Gespräch nichts hören.
»Da sind Sie ja.« Er drehte sich um und sah den Konservationisten Thinblood auf sich zuschlendern. Der grinste ihn an. »Als sie aus dem Ratssaal kam, sind Sie davongelaufen wie ein aufgescheuchter Hase.«
Garth brummte etwas. Dieser Thinblood hielt ihn offenbar für einen alten Mann, den man umsorgen musste. Es war lästig. Allerdings musste er sich eingestehen, dass er erleichtert war, ihn wiederzusehen. Der Rest dieses bunten Haufens bestand zumeist aus den anderen Gefangenen, die Venera befreit hatte, und sie waren, wohl aus den gleichen Gründen wie er selbst, keine gute Gesellschaft. Sie wirkten alle verängstigt und müde. Und dass Sacrus durch ihre Anwesenheit in der Ratssitzung offenbar kaum etwas an Unterstützung eingebüßt hatte, hob die Stimmung auch nicht gerade.
Garth und Thinblood hatten auf der anderen Straßenseite unter einem Baldachin gestanden und sich unterhalten, als Venera Fanning an den großen Eingangstüren erschien. Sie kam langsam rückwärts heraus, und ihre Haltung war sonderbar. Als sie weiterging, zeigte sich, dass sie eine Waffe in der Hand hielt und damit auf jemanden zielte. Dieser Jemand war Jacoby Sarto.
Garth war an ihrer Seite, ehe er selbst wusste, was er tat. »Was machst du da?«, hörte er sich rufen. Sie schnitt nur eine Grimasse und ging rückwärts weiter.
»Es lief nicht gut für uns«,
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