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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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auf.
    Eine flache Hand schwebte wenige Zentimeter über ihr. Im flackernden Lichtschein der fernen Explosion erkannte sie den ausgestreckten Arm und dahinter das breite Fischgesicht von Samson Odess. Er sah sie besorgt an. »Venera, bist du verletzt?«
    »N-nein …« Misstrauisch ergriff sie seine Hand. Er half ihr beim Aufstehen und legte ihr einen Arm um die Schulter.
    »Rasch jetzt«, sagte er und zog sie zur Treppe. »Solange alle mit anderen Dingen beschäftigt sind.«
    »Was …« Sie hatte Mühe, die Worte zu finden. »Was hast du denn vor?«
    Er hielt inne, fuhr zurück und starrte sie an. »Ich bringe dich nach Hause.«
    »Nach Hause? Was für ein Zuhause?«
    »Deines, du Dummerchen. Liris.«
    »Aber warum hilfst du mir?«
    Jetzt verlor er die Geduld. »Du hast nie aufgehört, Bürgerin von Liris zu sein, Venera. Und theoretisch habe ich nie aufgehört, dein Vorgesetzter zu sein. Ich bin
immer noch für dich verantwortlich. Und nun komm mit!«
    Oben an der Treppe blieb sie stehen und sah sich um. Es sah so aus, als würden alle Soldaten, die sich auf dem Dach gedrängt hatten, an einer Seite hinunterspringen. Kurze Blitze erhellten in Umrissen einen Arm, der eine Donnerbüchse schwenkte oder einen anderen, der ein Schwert reckte. Auf dem von Dornengestrüpp überwucherten Gelände rings um Liris wurde gekämpft. Weiter draußen rannten Männer in kleinen Grüppchen hin und her, stapelten Schutt zu Barrikaden auf oder drohten mit archaischen Waffen.
    »Venera! Runter vom Dach!« Sie blinzelte, dann drehte sie sich gehorsam um und folgte Odess.
    Sie stiegen mehrere Stockwerke weit hinab, und schließlich stand Venera ausgerechnet in den Räumen der früheren Botanikerin. Die Möbel und die Kunstwerke, die den Stempel Margits von Sacrus getragen hatten, waren verschwunden, Wände und Decke zeigten immer noch Brandspuren. Jemand hatte neue Liegen und Stühle aufgestellt, und vor einer Wand, die besonders unter dem Feuer gelitten hatte, hing ein Wandteppich in Pastellfarben - Kirschbäume, die Lichtstrahlen auf eine Ideallandschaft mit Dryaden und Feen warfen.
    Venera setzte sich unter eine Dryade und sah sich um. Eilen und der Rest der Handelsdelegation waren da. »Sie braucht eine Decke«, sagte Odess, »und einen starken Drink. Sie steht unter Schock.« Eilen rannte nach einem Plaid, und jemand drückte Venera einen Becher mit einer bernsteingelben Flüssigkeit in die Hand. Sie starrte ihn kurz an, dann trank sie.

    Minutenlang lauschte sie verständnislos den Gesprächen; mit einem Mal war es, als würde irgendwo in ihrem Innern ein Schalter umgelegt, sie begriff, wo sie sein musste, und noch etwas wurde ihr klar. Sie sah Odess an. »Das ist dein neues Büro«, sagte sie.
    Alle verstummten. Odess setzte sich neben sie. »Ganz recht«, sagte er. »Die Handelsdelegation hat seit deinem Weggang eine Aufwertung erfahren.«
    Eilen lachte. »Wir sind in Liris die neuen Stars! Nicht dass die Kirschbäume weniger wichtig wären, aber …«
    »Moss sieht ein, dass wir uns der Außenwelt öffnen müssen«, unterbrach Odess. »Unter Margit wäre das nie und nimmer geschehen.«
    Venera musste lächeln. »Ich bin an dieser Entwicklung vielleicht nicht ganz unschuldig.«
    »Meine Liebe!« Odess tätschelte ihr die Hand. »Es ist ganz allein dein Verdienst! Du hast Liris wieder zum Leben erweckt. Du hast doch nicht etwa geglaubt, dass wir dich in der Stunde der Not im Stich lassen würden?«
    »Du hast hier immer einen Platz«, sagte Eilen.
    Venera brach in Tränen aus.
     
    »Wir hätten dich niemals verraten«, beteuerte Odess wenig später. »Keiner von uns.«
    Venera schnitt eine Grimasse. Sie stand vor einem Spiegel und tupfte sich die Augen ab, um die Tränenspuren zu beseitigen. Sie wusste nicht, was über sie gekommen war. Sie musste den Verstand verloren haben; wenigstens hatten nur die Lirisianer ihren kleinen Zusammenbruch miterlebt. »Es war vermutlich Sarto«, sagte sie. »Im Grunde spielt es keine Rolle mehr. Ich
kann mich hier oben nicht mehr blicken lassen, ohne dass mir Guinevera eine Kugel in den Leib jagt.«
    Odess räusperte sich verlegen, schlang die Arme um seine breite Brust und ging auf und ab. »Guinevera hat seit seiner Ankunft hier niemanden beeindruckt. Warum sollten deine anderen Verbündeten auf ihn hören?«
    Sie wandte sich ihm zu und zog eine Augenbraue hoch: »Weil er der Herrscher einer Nation mit Sitz im Rat ist?«
    Odess winkte ab. »Abgesehen davon.«
    Kopfschüttelnd kehrte Venera auf

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