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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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enthauptet, als Albard hereinrauschte. Venera hatte angenommen, er wolle mit ihr sprechen, und hatte, einen schlaffen, kopflosen Körper in der Hand, höflich gewartet, während er ihre Möbel verrückte. Er war also nicht ihretwegen hier? Was hatte das dann alles zu bedeuten?
    »Ist ja auch egal«, sagte er gereizt. »Lass dich bloß nicht sehen. Es könnte unangenehm werden.«
    Jetzt hörte sie von draußen Stimmen und schnelle Schritte. »Was hast du denn verbrochen?«, fragte sie.
    Er lehnte sich mit dem Rücken gegen den Möbelstapel, als wollte er ihn aus dem Zimmer schieben. »Ich habe auch jemanden gebissen«, sagte er. »Vielmehr wollte ich es tun, aber man hat mich erwischt.«
    Venera setzte sich zu ihm auf den rosaroten Teppich. »Meinen Vater, richtig?«
    Er zog in gespielter Verblüffung die Augenbrauen hoch. »Wie hast du das erraten?«

    Venera überlegte eine Weile. Dann sagte sie: »Heißt das, dass jetzt jeder, über den sich Vater ärgert, hierherkommen muss?«
    Albard lachte. »Liebe Nichte, wenn es so wäre, dann hätten wir das ganze verdammte Reich mit in diesem Zimmer.«
    »Ach so.« Sie war ein wenig beruhigt.
    »Gib auf, Albard!«, rief jemand von draußen. Es hörte sich an wie ihr Vater. Verhaltenes Gemurmel folgte, dann: »Äh, ist … ist Venera bei dir?«
    »Nein!« Der Prinz kniete neben ihr nieder und legte einen Finger auf den Mund. »Es gibt etwas, was ich auf keinen Fall tun werde«, sagte er freundlich. »Ich werde dich nicht als Trumpfkarte einsetzen. Wenn du gehen willst, reiße ich die Barrikade nieder und lasse dich raus.«
    »Was werden sie mit dir machen?«
    »Mich in Ketten legen und abführen … danach hängt alles von der Stimmung deines Vaters ab. In letzter Zeit hängt hinter seinen Augen eine schwarze Wolke. Hast du sie gesehen?« Sie nickte energisch. »Sie wird immer größer und größer, diese Wolke, und ich fürchte, sie fängt an, alles andere zu verdrängen. Das macht mir Sorgen.«
    »Ich weiß, was du meinst.«
    »Das halte ich für gut möglich.« Danach verhandelte Albard lange Zeit mit den Leuten auf der anderen Seite der Barrikade. Venera zog sich ans nächste Fenster zurück, jetzt war die Langeweile wie weggeblasen. Endlich blies Albard die Backen auf und drehte sich zu ihr um.
    »Es läuft nicht gut«, sagte er. »Hast du einen Federhalter und irgendetwas zum Schreiben da?« Sie zeigte
auf ihren Schreibtisch, der ganz oben auf der Barrikade stand. »Ah. Ich danke dir.«
    Er kletterte hinauf und holte sich einen Stift und Papier. Dann runzelte er die Stirn, ließ das Papier fallen, ging auf die Knie und suchte nach etwas anderem. Venera beobachtete ihn scharf. Endlich entschied er sich für eine der Puppen, ihren erklärten Liebling. Ihr Körper war aus Stoff, der Kopf aus Porzellan.
    »Kann ich mir die mal kurz ausleihen?«, fragte er. Venera zuckte nur die Achseln.
    Albard rieb den Puppenkopf eine Weile über den Steinboden. Draußen im Korridor waren krachende Schläge zu hören. Die Barrikade erbebte. Der Prinz hielt die Puppe hoch, betrachtete sie kritisch und knurrte befriedigt. Dann beugte er sich vor und setzte die Feder vorsichtig auf das Porzellangesicht.
    Als die Barrikade schließlich fiel, stand er mitten im Raum und hatte die Hände auf den Rücken gelegt. Ein Dutzend Soldaten drängten herein und führten ihn ab; er konnte sich nur noch einmal kurz nach Venera umsehen und ihr zuzwinkern, dann war er fort.
    Anschließend durchsuchten Angehörige der Geheimpolizei ihren Raum. (Dass er im Grunde nicht anders aussah als vor Albards Eintreffen, sagte einiges über ihren eigenen Ordnungssinn aus.) Sie nahmen alles mit, womit oder worauf man schreiben konnte und kratzten sogar da, wo sie die Wand bekritzelt hatte, den Verputz ab. Venera selbst wurde mehrmals durchsucht, dann fegten sie mit klirrenden Patronengurten hinaus und ließen sie genau an der Stelle sitzen, wo er zuletzt gestanden hatte.

    Sie sah Albard nicht wieder und traf auch später niemanden, der ihm begegnet wäre.
    Endlich rutschte sie ans Fenster und hob eine bestimmte Puppe auf. Ihr Kleid war zerrissen, die Geheimpolizisten hatten es aufgeschnitten, um nach versteckten Notizen zu suchen. Venera hielt sie ins Licht und betrachtete sie nachdenklich.
    Das war es also. Albard hatte am Steinboden die Augenbrauen der Puppe abgerieben und dann mit winzigen Strichen und Kringeln wieder aufgemalt. Aus einem Abstand von mehr als zehn Zentimetern schien alles normal zu sein. Nur aus der

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