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Safari

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Titel: Safari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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dieser Anblick absichtlich oder versehentlich verursacht worden war, vielleicht durch einen Fehler in der Verdrahtung oder im Computerprogramm, das erfuhr Walker nie. Das Schauspiel währte ein paar Minuten, dann war es vorbei. Der simulierte Himmel kehrte zurück: ein neutrales, blasses Blau. Synthetische Wolken zogen, grau und tief, daran entlang und flüsterten von Regen, der nie fallen würde. Der gefälschte Sonnenuntergang rückte unerbittlich näher.
    Ohne besonderen Grund standen Walker Tränen in den Augen. Während er die fremden Sterne betrachtet hatte, hatte er keinen Laut von sich gegeben – einfach nur wortlos geweint. George saß still daneben, beobachtete seinen Freund und wedelte (ausnahmsweise) nicht mit dem Schwanz. Nach einer Weile sagte er: »Ich würde mit dir weinen, wenn ich könnte, Marc, aber Hunde weinen nicht. Nur innerlich.«
    Walker, der noch in den Himmel starrte, wo die Sterne gestanden hatten, kniete sich hin und strich ihm über den struppigen Kopf. George schloss die Augen, und ein Ausdruck von Wohlgefühl und Zufriedenheit trat auf sein Gesicht.
    »Ist schon in Ordnung, George. Ich weiß, dass du dasselbe fühlst.«
    »Was sonst könnte ich fühlen?« Er schlüpfte unter der kameradschaftlichen Hand seines Freundes heraus, stand auf und schickte sich an, zum Zelt zurückzugehen. »Lass uns was futtern. Hast du noch welche von diesen Energieriegeln übrig? Nicht die mit Müsliaroma – die schmecken wie Verpackungskügelchen aus Styropor. Die mit den getrockneten Früchten.«
    Walker richtete sich auf, wischte sich über die Augen und nickte. »Ich glaube schon. Wieso? Bist du hungrig?«
    George blickte über die Schulter zurück. »Eigentlich nicht. Aber Fressen hebt meine Laune. Und irgendein Geschmack von der Erde ist besser als gar keiner.«
    Walker nickte und folgte ihm. »Ich glaube, da sind noch ein paar in meiner letzten Schachtel. Ich werde einen mit dir teilen.«
    Während sie gemeinsam zum Zelt trotteten, bezweifelte er zutiefst, dass sie sich noch irgendwo in der Nähe der warmen, freundlichen, zum großen Teil von Meer bedeckten Erdkugel befanden, die sie beide als ihr Zuhause kannten.
     
    *
     
    Tage verflüchtigten sich wie Gas. Dass Walker wusste, wie viele, verdankte er seiner Uhr, die nach wie vor funktionierte. Außer, dass sie Zeit und Datum in drei verschiedenen (und jetzt ausgesprochen irrelevanten) Zonen anzeigte, ein kleines Adressbuch enthielt, eine Schnittstelle zum (momentan nicht verfügbaren) Internet aufwies, als Stoppuhr diente und ein halbes Dutzend anderer Funktionen anbot, waren in ihrem Chipgehirn auch zwei verschiedene Videospiele gespeichert. Ungeachtet seiner Langeweile spielte Walker keins von beiden. Er hatte Angst, zu viel Batterie zu verbrauchen. Wenn er schon sonst keinen Kontakt mit zu Hause hatte, wollte er wenigstens die heimatliche Uhrzeit wissen (die pazifische, die zentrale und die östliche). So unbedeutend dieser Kontakt auch war, hatte er doch ungeheure Angst, ihn einzubüßen.
    Da sie kaum mehr zu tun hatten, als das Verstreichen der Zeit zu beobachten, versuchten George und er, so viele Mitgefangene wie möglich kennen zu lernen, zum Beispiel netzartig gemusterte Ireluten von A’ba’prin III, die instabilen Mirrindrinonen aus dem gleichnamigen System, die hoch aufgeschossenen bewimperten Tacuts von Domiss V und VI und andere mehr. Manche waren besonders freundlich, manche sehr gesprächig, andere in sich gekehrt oder kaum in der Lage zu sprechen, obwohl sie zerebral getunt waren und linguistische Implantate erhalten hatten. Sie alle teilten dieselbe Gefangenschaft.
    Am Ende war es der allein lebende Ghouaba, der ihn verriet.
    Walker war rein zufällig über die Klinge gestolpert. Genau genommen konnte man das Ding nicht als Klinge bezeichnen. Es war mehr ein scharfer Keramiksplitter von dreißig Zentimeter Länge. Er lag halb vergraben im Sand an dem breiten Bach des Großen Geheges. Walker kniete nieder, blickte gebannt auf die glänzende Scherbe und beobachtete, wie sie das Licht reflektierte. Dabei fiel ihm auf, dass sie eine Schneide besaß. Ein rascher Blick zeigte, dass sich niemand in seiner unmittelbaren Umgebung aufhielt. George war irgendwo und plauderte mit Freunden. Ein Paar Moorooloos glitten auf schleimbedeckten Fußpolstern vorüber und hatten nur Augen füreinander.
    Der Ursprung des Keramiksplitters war ein Rätsel. Vielleicht war er ein Materialstück, das beim Bau des Großen Geheges übrig geblieben war.

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