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Sag nichts, kuess mich

Sag nichts, kuess mich

Titel: Sag nichts, kuess mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
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nie wirkliche Angst gekannt hatte.
    Bis jetzt.
    Alessia hatte den Wagen auf volle zwanzig Meilen pro Stunde auf der Autobahn beschleunigt, während die anderen Autos mit hundert Meilen pro Stunde an ihnen vorbeirasten. Na schön, das war vielleicht übertrieben, die anderen fuhren neunzig und sie halb so schnell. Der Punkt war … sie war ein Verkehrshindernis.
    Entweder sie wusste es nicht, oder es war ihr gleich.
    Sie fuhr stur in der mittleren Spur, bot damit allen möglichen Fahrern die Möglichkeit, rechts zu überholen. Die kurbelten ihr Seitenfenster herunter und schrien der Mercedesfahrerin wüste Verwünschungen zu, begleitet von den entsprechenden Gesten. Immerhin fand Nick auf diese Weise heraus, dass bestimmte Handzeichen in der Toskana die gleiche Bedeutung wie in New York hatten.
    Alessia fuhr ungerührt weiter.
    Irgendetwas musste er doch tun können! Er räusperte sich und wählte seine Worte mit Bedacht. „Äh, stimmt etwas nicht mit dem Wagen?“ Er wartete einen Moment. „Ich meine, gibt es einen Grund, weshalb Sie so langsam fahren?“
    „Ich halte mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung.“
    „Nun, ich glaube, auf der Autobahn darf man schneller fahren.“
    „Mir ist völlig gleich, was Sie glauben“, kam es kalt von ihr zurück.
    So viel also zur Behutsamkeit! „Was ich eigentlich sagen will, ist, dass es ein Fehler ist, sich dem Verkehr nicht anzupassen.“
    „Dann liegt der Fehler beim Verkehr. Das ist das richtige Tempo für die Straßenverhältnisse.“
    „Welche Straßenverhältnisse? Es ist trocken, die Straße ist schnurgerade, und der Verkehr fließt ohne Stockungen, außer …“
    „Ich fahre, Mr Orsini, nicht Sie.“
    Er hatte schon herausgefunden, dass es darauf ankam, wie wütend sie war, ob er ‚ signor ‘ oder ‚Mister‘ war. „Das stimmt, aber …“
    Ein riesiger Lkw donnerte hupend rechts an ihnen vorbei. Nick stieg fast wieder durch das Metall am Boden.
    „Hören Sie, Prinzessin …“
    „Das ist mein Auto und mein Land. Ich weiß, wie schnell ich fahren muss. Und ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie mich nicht ständig mit diesem Titel ansprechen würden. Die Monarchie existiert in Italien seit 1946 nicht mehr. Der Titel ist also lediglich ein Relikt aus der Vergangen…“
    „ Merda !“ Nick zuckte zusammen. „Der Wagen hätte uns beinahe gerammt!“
    „Der Fahrer fährt viel zu schnell.“
    „Nein, tut er nicht!“ Er drückte sich in den Sitz zurück. „Ich würde zu gern denjenigen kennenlernen, der Ihnen das Autofahren beigebracht hat“, murmelte er grimmig.
    Alessia warf ihm einen Seitenblick zu. Vielleicht war das ja das Problem. Niemand hatte ihr das Fahren beigebracht. Zumindest nicht so, wie er es meinte. Aber das würde sie ihm nicht sagen. Sie fuhr nur vorsichtig. Sie fuhr immer vorsichtig. Es war schließlich nicht ihre Schuld, dass Rasen der italienische Nationalsport war.
    Und die Wahrheit war einfach zu peinlich. Niemand brauchte zu wissen, dass sie erst vor zwei Jahren Fahren gelernt hatte. Dass sich ihr Leben bis dahin nach den Wünschen des Vaters gerichtet hatte.
    Dieser amerikanische Gangster würde nie verstehen, wie es war, als Tochter eines Vaters aufzuwachsen, der mehr am eigenen Vergnügen als an seiner Familie interessiert war.
    Als sie mit sechzehn zur Fahrschule gehen wollte, hatte ihr Vater gesagt, es gehöre sich nicht in ihrer Position, selbst Auto zu fahren. Mit achtzehn, auf einem kleinen Elite-College in Rom, brauchte sie keinen Führerschein. Wozu, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel so viel bequemer waren? Außerdem war es damals leichter gewesen, sich zu fügen.
    Mit zwanzig hatte sie dann ihren nutzlosen Abschluss in der Tasche. Sie nahm die Urkunde mit, als sie ihre Mutter im Sanatorium besuchte. An jenem Tag war ihre Mutter völlig klar gewesen. Sie hatte die Urkunde betrachtet und gesagt: „Mach etwas aus deinem Leben, mia bambina . Lass dir von ihm nicht die Lebensfreude rauben.“
    Alessia hatte nicht fragen müssen, auf wen ihre Mutter sich bezog.
    Es war wie eine Erleuchtung gewesen. Alessia war nach Hause zurückgekehrt, hatte ihre Sachen gepackt und war ausgezogen. Zusammen mit drei anderen jungen Frauen hatte sie sich eine Wohnung in Rom geteilt. Ihr Vater hatte vor Wut geschäumt. Wie konnte sie es wagen, sich gegen ihn aufzulehnen?
    Er strich ihr die Unterstützung. Also ging sie kellnern. Zu mehr war ihr teure Ausbildung nicht nütze. Außer natürlich noch, um einen reichen Mann zu heiraten

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