Sag nichts, kuess mich
Brava, cara “, raunte er ihr zu, und am liebsten hätte sie ihn gepackt und geküsst.
Das Dessert wurde serviert. Tiramisu. Walnussgebäck. Antike Likörgläser mit Goldrand, gefüllt mit edlen Spirituosen, dazu Espresso, in einem Service, das so alt war wie die Villa selbst. Gespräche, Gelächter.
Nicolo hatte scheinbar Mitleid mit ihr. Zwar lag seine Hand noch immer auf ihrem Bein, aber er hielt sie still.
Alessia konnte wieder einigermaßen denken. Allerdings nutzte sie die wiedergewonnene Fähigkeit dazu, um über ihn nachzudenken.
Sie hatte sich darauf vorbereitet, ihn zu verachten. Weil sie absolut sicher gewesen war, er würde sich grob und unkultiviert zeigen. Dass er niemals dazu in der Lage wäre, sich unter den wahrhaft Zivilisierten und Vornehmen zu behaupten.
Falsch.
Er war wunderbar. Weltgewandt. Charmant. Und fühlte sich völlig wohl in dieser noblen Umgebung. Die Frauen konnten die Augen nicht von ihm nehmen. Wer sollte es ihnen verübeln? Die Männer hingen praktisch an seinen Lippen. Der Bürgermeister, der Kunsthändler und ein exzentrischer Millionär überreichten ihm diskret ihre Visitenkarten.
Er war charmant zu allen, aber sie wusste, wem seine Aufmerksamkeit wirklich gehörte.
Ihr.
Wenn all diese Leute endlich gegangen wären, dann wären sie und Nicolo allein …
Die Espressotasse in ihrer Hand begann zu schwanken. Vorsichtig setzte Alessia sie ab.
Sie dachte daran, was er den ganzen Abend über mit ihr getan hatte. Wie sehr seine Berührungen sie erregt hatten. Sie stellte sich vor, wie es sein würde, wenn sie erst allein waren, sodass er sie intimer berühren konnte. Selbst jetzt brauchte sie ihre Beine nur ein wenig zu spreizen, konnte seine Hand nehmen und sie an die Stelle führen, wo …
Dio .
Ihr Puls raste. Ein leiser Laut entschlüpfte ihr. Die Konversation brach jäh ab, und überraschte Blicke wurden gewechselt. Alessia ermahnte sich verzweifelt, etwas zu sagen, irgendetwas, doch ihr Kopf war völlig leer. Hilfe suchend sah sie Nicolo an und erkannte, dass er wusste, was mit ihr passierte.
Triumph blitzte aus seinen Augen.
Dann, langsam wie in Zeitlupe, zog er seine Hand von ihrem Schenkel und führte die locker geballte Faust an den Mund, um ein Gähnen zu kaschieren. Dabei ahmte er den Laut nach, den sie von sich gegeben hatte. Die Gesichter richteten sich jetzt von Alessia auf ihn.
„Entschuldigen Sie“, sagte er mit einem charmanten Lächeln. „ Mi dispiace . Lassen Sie sich versichert sein, es liegt nicht an der Gesellschaft. Es ist ein ganz wunderbarer Abend. Es ist nur … ich bin praktisch seit gestern Morgen ohne Pause auf den Beinen.“
Jeder zeigte Verständnis. Servietten wurden abgelegt, Stühle zurückgeschoben. Man sagte buona sera und arrivederci , und jeder beteuerte, was für ein wundervoller Abend es doch gewesen sei.
Nicolo half Alessia galant beim Aufstehen und hielt ihren Ellbogen, während sie gemeinsam die Gäste zur Tür geleiteten. Das Geräusch von schlagenden Autotüren hallte in der Nachtluft wider, Scheinwerfer flammten auf, und eine Kolonne von Nobelkarossen fuhr die Auffahrt hinunter.
Alessia stand neben Nicolo in der Haustür und winkte lächelnd, ganz die perfekte Gastgeberin, während sie in Wahrheit nur daran dachte, dass sie sich jetzt der Realität stellen musste.
Sie und Nicolo waren allein. Danach hatte sie sich gesehnt. Davor hatte sie Angst gehabt.
Das Spiel, das sie bisher gespielt hatten, trat in die nächste Phase ein. Es ängstigte sie halb zu Tode.
Angst vor ihm hatte sie nicht, aber vor sich selbst. Wenn er vielleicht nicht der Mann war, für den sie ihn hielt, so war sie sicherlich nicht die, die er in ihr sah.
Ihr Verhalten am Nachmittag musste den Eindruck bei ihm hinterlassen haben, dass sie eine erfahrene Frau war, eine Frau, die wusste, wie sie einem Mann Vergnügen schenkte und es ebenso selbstverständlich von einem Mann annahm.
Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.
All das hier war völlig neu für sie. Nicht, dass sie noch Jungfrau wäre, das nicht. Schließlich war sie eine moderne Frau. Aber sie wusste kaum etwas über Sex. Auf jeden Fall nicht so viel, wie Nicolo denken musste.
Es war geradezu lachhaft. Während der Collegezeit hatte sie mit einem Jungen geschlafen, der ebenso unerfahren wie sie gewesen war. Und vor drei Jahren hatte sie eine kurze Beziehung mit einem Grafiker gehabt, bevor er endlich den Mut aufgebracht und eingestanden hatte, dass er Männer attraktiver
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