Sag niemals nie
von Spielmarken auf dem Filztuch zusammen. Anna beobachtete fasziniert, wie die Spieler neu setzten. Die betäubende Wirkung des Champagners setzte ein. Sie linderte den Schmerz, den Saskias gemeine Bemerkungen verursacht hatten.
„Bitte das Spiel zu machen.“
Wieder kam Bewegung in die Runde. Im Schein der Glaslampe über dem Tisch sah Anna den Männern am Tisch zu. Obwohl sie nur harmlos aussehende Spielmarken herumschoben, standen manchen von ihnen Schweißperlen auf der Stirn.
Anna fragte sich, wie viel Geld auf diesem Tisch angehäuft sein mochte. Genug, um die Zukunft des Châteaus zu sichern?
Auf einmal fühlte sie sich rastlos. In ihrem Nacken kribbelte es, und etwas zwang sie, sich umzudrehen.
Angelo stand nur wenige Schritte von ihr entfernt. Der Lichtkegel der Lampe über dem Spieltisch fiel auf sein blondes Haar und ließ es golden schimmern. Er hatte eine Hand in die Tasche geschoben, die andere locker um die schmale Taille einer aufregenden Blondine im roten Kleid gelegt. Mit leicht zusammengekniffenen Augen blickte er auf den Tisch. Er sah wie ein gefallener Engel aus, atemberaubend, aber gefährlich. Seine starke Ausstrahlung ließ die anderen eleganten Herren wie unscheinbare Nebendarsteller erscheinen.
Erregt atmete Anna ein. Panik überkam sie, ihr Herz begann zu jagen. Verlangen durchflutete sie.
Dann drehte er sich um.
Angelo trank seinen Champagner aus und zwang sich, aufs Spiel zu achten.
Er hatte wieder einmal eine Glückssträhne. Vor ihm stapelten sich Türme von Spielmarken, während die anderen Spieler am Tisch zu schwitzen begannen. Dennoch langweilte er sich.
Wenn das Spiel zu leicht zu gewinnen war, musste er sich anderswo nach Nervenkitzel umsehen.
Verzweifelt hob der Verlierer am Ende des Tisches die Hände. Er ging davon, während der Spielleiter seine restlichen Spielmarken kassierte. Der Aufbruch beunruhigte die Umsitzenden, der Platz blieb frei.
Angelo blickte auf den Tisch. Alle spielten jetzt sehr vorsichtig. Kurz überlegte er, ob er ebenfalls gehen sollte. Doch er wusste, dass er weitermachen würde. Weiterspielen, an seine Grenzen stoßen, bis er etwas fühlte.
Irgendetwas.
„Bitte das Spiel zu machen, meine Herren.“
In letzter Minute kam Bewegung in die Runde, die Spieler setzten erneut.
Schmollend legte die Blondine Angelo die lackierten Fingernägel auf den Seidenaufschlag des Jacketts. „Liebling? Diesmal Rot, meinst du nicht auch?“
Er lächelte schwach, doch seine Augen zeigten keine Regung. Er blickte auf den Tisch und schob einen Riesenstapel Spielmarken auf Grün. Einen Moment hielt er inne.
Grün.
Der Stapel entsprach mehreren hunderttausend Euro, doch seine Hände waren ganz ruhig. Grün. Es war eine Art Wette mit sich selbst. Dass er sich in dieser Felicity nicht geirrt hatte. Das Risiko, alles zu verlieren, war hoch. Doch etwas im Dunkel seines selbstzerstörerischen Inneren zwang ihn weiterzumachen. Das Geld wäre kein großer Verlust für ihn, es war leicht ersetzbar …
Aber um Geld ging es jetzt nicht.
Es ging um die Gefahr. Und um das Mädchen.
Eine Sekunde schloss er die Augen und genoss die kribbelnde Aufregung. Es war wie ein edler Weinbrand auf leeren Magen – reinigend, stärkend, berauschend. Selbst wenn er verlor, er würde etwas empfinden.
Einen Stich.
Lustvolle Schmerzen.
Irgendetwas.
Er öffnete die Augen und sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung.
Von dem Platz, den der Verlierer verlassen hatte, fiel ein Schatten auf den Tisch. Der Umriss einer Frau. Die Schulterhaltung, die Rundung der Brust … Im Lampenschein waren es nur graue Flächen. Es juckte ihn in den Fingern, er musste sie berühren …
Ihr Parfüm war zurückhaltend, aber er nahm es sofort wahr. Wie ein Raubtier, das den Geruch seiner Beute aufnimmt. Oder eines heißen Weibchens. Der Duft erfüllte ihn wie mit Wohlgefühl. Er übertönte das aufdringlichere, süßliche Parfüm der Blondine neben ihm.
Langsam hob er den Kopf.
Unvermittelt trafen sich ihre Blicke. Seine Miene blieb ausdruckslos, während er sie ausgiebig musterte und jede Einzelheit in sich aufnahm. Er betrachtete ihre stolze Haltung, das elegante, schimmernde Kleid, ihr seidig fallendes dunkles Haar. Und hinter alldem suchte er das widerspenstige Mädchen, das in ihr schlummern musste.
Dann bemerkte er ihre nackten gebräunten Füße. Gefühle stürmten auf ihn ein, die ihn atemlos machten. Scharf, unerwartet. Überwältigend.
Ungeduldiges Raunen erhob sich am Tisch, ihm wurde
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