Sag niemals nie
ich!“
Einen Augenblick lang sah er sie nachdenklich an und ließ einen Finger um ihren Diamanten in ihrem Nabel kreisen. „Ja, es stimmt, ich wollte es. Aber du noch mehr.“
Das war zu viel. Anna versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
Er rührte sich nicht, nur seine Wange rötete sich ein wenig. Seine Augen funkelten beunruhigend. Es kostete sie alle Willenskraft, seinem Blick standzuhalten.
Unvermittelt wandte er sich ab und ging davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Von Scham und Selbsthass erfüllt, kehrte Anna in ihre Kabi
ne zurück.
Das Schlimmste war, dass Angelo recht hatte.
War sie ihm nicht nur auf die Yacht gefolgt, um etwas herauszufinden, das GreenPlanet benutzen konnte, seine Pläne zu durchkreuzen?
Um sich an ihrer Familie zu rächen, hatte sie sich der Gruppe angeschlossen. Bei GreenPlanet hatte sie ein zweites Zuhause gefunden. Dort war ihr alles Denken abgenommen worden, das Leben mit diesen Menschen war für sie zu einer Art Ersatzreligion geworden. Sie sagten ihr, was sie tun und glauben, ja sogar, was sie essen und anziehen sollte. Bisher war sie dankbar dafür gewesen und hatte diese Dinge nie infrage gestellt.
Die Erkenntnis erschreckte sie.
Aber noch mehr machten ihr Angelos Worte Angst. Ohne es zu ahnen, hatte er den Finger in ihre alte Wunde gelegt, als er so erhitzt gesprochen hatte.
Ihre Familie hatte sie wegen des Titels geopfert. Für den Stammbaum der Delafields. Man hatte ihr die Wahrheit verheimlicht, um ihren Vater vor einer Schande zu bewahren. Und um die Ehre der altehrwürdigen Familie nicht zu beflecken.
Was sie empfand, war unwichtig.
Angelo hatte recht. Ihr Glaube an die Vergangenheit war ebenso einfältig wie ihre blinde Annahme der Wertvorstellungen von GreenPlanet. Aber was blieb ihr noch? Wer war sie denn noch, ohne Familie, ohne Ballett, ohne GreenPlanet?
Sie hatte sich so heftig gegen die Lebensanschauung ihres Vaters gewehrt, dass sie versäumt hatte, eine eigene zu entwickeln. Gekettet an die Vergangenheit hatte sie sich geweigert, an die Zukunft zu denken. Vor lauter Grübelei über das, was sie nicht war, hatte sie vergessen herauszufinden, wer sie war. Sie hatte sogar versucht, ihren Geburtstag zu verdrängen.
Wie ein verwundetes Tier kroch Anna unter die Decke. Heute beginne ich ein neues Leben, nahm sie sich vor. Sie würde ganz von vorn anfangen. Immerhin das verdankte sie Angelo. Schon deswegen würde sie ihn nie vergessen.
Als die Strahlen der untergehenden Sonne in die Kabine fluteten, klopfte es leise an der Kabinentür, und Paolo erschien.
„Signor Emiliani lässt ausrichten, dass wir in einer Stunde anlegen. Ich komme Sie holen, sobald Sie an Land gehen können, Signorina. Kann ich Ihnen noch etwas bringen?“
„Nein, danke.“
Das war es also.
Zeit, Abschied zu nehmen.
9. KAPITEL
Zwanzig Minuten später stieg Anna aus dem Bad und hüllte sich in ein großes flauschiges Handtuch. In weiser Voraussicht hatte sie sich auch gleich die Haare gewaschen. So luxuriös wie hier würde sie es so bald nicht mehr haben.
Sie wickelte ein Handtuch ums feuchte Haar und blickte sich um. Die ovale Badewanne war in einen mit dunklem Holz verkleideten Marmorpodest eingelassen. Wie alles auf der Yacht strahlte auch dieser Raum uneingeschränkten Luxus aus. Sicher hatte sich derjenige, der sie eingerichtet hatte, keine Gedanken über Umweltschutz gemacht. Aus reiner Gewohnheit fragte sich Anna, was Gavin von GreenPlanet wohl dazu sagen würde.
Sie rief sich zur Ordnung. Von jetzt an würde sie sich ihr Urteil selbst bilden.
Im Übrigen musste sie sich eingestehen, dass sie das Bad toll fand. Der Gegensatz zu der uralten Einrichtung der zugigen Bäder von Ifford Park hätte kaum krasser sein können.
Im Schlafzimmer betrachtete Anna seufzend das wenige, was sie an Kleidung dabeihatte. Allmählich begann sie die Shorts und den weißen Bikini zu hassen. Hätte sie Fliss’ Kleid bei der Strandparty nur nicht so leichtsinnig abgelegt!
Unwillkürlich musste sie lächeln. Hätte sie es nicht getan, wäre sie nicht hier. Und hätte das Bedeutungsvollste versäumt, das ihr seit Jahren passiert war. Sie hatte so viel gelernt in den letzten Tagen …
Doch nun galt es, das Kleiderproblem zu lösen. Vielleicht sollte sie Angelos Angebot doch annehmen, etwas anzuziehen, was frühere Gäste vergessen hatten. Aber vermutlich waren das teure Designerkleider, in denen noch der Duft einer anderen Frau hing, der bei Angelo Erinnerungen wachrief.
Nein, das
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