Saga von Dray Prescot 15 - Vallian-Zyklus 01 - Geheimnisvolles Scorpio
Delia? Aber zuletzt kehrte doch immer wieder die nüchterne Erkenntnis ein, daß ich in gewisser Weise besessen war – vielleicht von den Herren der Sterne, vielleicht von den Savanti, vielleicht auch von Zena Iztar, die ebenfalls auf übernatürliche Weise auf mich eingewirkt hatte. Ich mochte mich diesen Kräften widersetzen – nicht wehren jedoch konnte ich mich gegen die noch größere Kraft in mir: wahrhaftig besessen war ich von Kregen selbst, seinen wilden Bewohnern, seiner wilden Schönheit und Größe – und seinen Schrecknissen. So konnte ich auf einem Weg zwischen delphondischen Obstgärten stehen und mich von Delia verabschieden, ohne mir allzuviel anmerken zu lassen.
»Und verspäte dich nicht zu unserem Rendezvous«, sagte sie. Wir riefen uns die letzten Remberees zu, und das Flugboot stieg auf. Ich winkte dem Voller nach, der in den hellen Morgenhimmel stieg.
Ich war allein.
Nun, das wollte ich ja. Es war meine Entscheidung.
Ich steckte mir den Bambusstab über dem alten roten Lendenschurz in den Gürtel, legte ein Stück des alten braunen Mantels darüber und begann mit einem letzten Blick in die Runde meine Wanderung zum Tempel von Delia, der etwa eine Dwabur entfernt an der Küste lag.
Nach einiger Zeit wurde mir bewußt, daß mich meine Umgebung zu interessieren begann – Kregen ist eben überall wunderbar. Meine Hand berührte den Bambusstab, der natürlich nicht echt war, aber genau wie Bambus aussah. Solche Stöcke werden von den Armen getragen, wenn sie ihre Heimatdörfer verlassen.
Mein Haar war ungekämmt, mein Gesicht verschmutzt. Ich war barfuß. So verließ ich die Obstgärten, erreichte die Kuppe eines Hügels und durchquerte weiches Gras, am Himmel über mir schrien Meeresvögel.
Draußen auf dem Meer fuhr eine vallianische Galleone, die Segel prall gewölbt, ein prachtvoller Anblick im doppelten Licht der Sonnen. Und der Geruch des Meeres munterte mich wie immer auf und ließ Erinnerungen aufleben.
Nach kurzer Zeit passierte ich eine kleine Gruppe von Häusern, die sich in den Windschatten eines niedrigen Berges duckten. Grauer Rauch stieg auf. Ich unterbrach meine Wanderung nicht, sondern ging außen um die Zäune herum, hinter denen sich Bosks rührten. Die Bewohner würden wie alle Delphondi faul und gastfreundlich sein – das dachte ich damals –, doch mir war nicht nach Gesellschaft, hatte ich mich doch freiwillig von der einzigen Gesellschaft getrennt, an der mir am meisten lag.
Der Tempel Delias lag in einer weiten Senke, einem fruchtbaren Tal, das in der Mitte von einem Fluß durchschnitten wurde. Niemand lebte hier. Die gras- und moosbewachsenen Umrisse alter Gebäude, zu Ruinen zusammengesunken, legten Zeugnis ab von dem einstigen Leben hier, zu der Zeit, da die Göttin Delia noch angebetet wurde.
Vorsichtig schritt ich weiter. Wenn Makfaril seine jungen Gemeinden hier zusammenholte, hatten sie alle einen weiten Weg. Es gab Orte, die mit dem Reittier zu erreichen waren. Viele reichere Leute mochten alte Flugboote besitzen. Die Armen würden zu Fuß gehen oder ihre Zugtiere benutzen. Ich blieb einem grasbestandenen Hang fern und wanderte langsam weiter, bis die erste der noch stehenden Säulen sichtbar wurde. Die grüne und die rote Sonne ließen an den Verzierungen unterschiedliche Schatten entstehen. Hinter der Säulenreihe ragte ein graues Schieferdach empor, ziemlich verwittert und wohl auch vor langer Zeit das letztemal repariert.
Die Ruhe hatte etwas Friedliches; das Summen von Insekten vertiefte die Stille noch, doch ich hielt diesen Eindruck für täuschend. Langsam rückte ich weiter vor und versuchte in die blauen Schatten zu blicken, die sich in kühlen Bahnen hinter den Säulen erstreckten.
Nichts rührte sich. Die Sonnen brannten heiß herab, und die angenehme Hitze wurde von der Erde zurückgestrahlt; die Insekten summten, und Luft und Himmel waren von süßer Stille erfüllt.
Gründlich suchte ich den alten Tempel ab. Kein Mensch lebte in den alten brüchigen Mauern. Die Anlage war überraschend groß, die gesprengten Mauern und Säulen und eingestürzten Dächer waren dick überwachsen, ließen aber noch klar erkennen, daß sich einmal eine reiche, blühende Gemeinde um den Tempel gruppiert hatte.
Ich fand nichts und begann mich bald zu fragen, ob die neun Siegel des Signomanten wirklich neun Tempel für die Anbetung des Großen Chyyan bedeuteten.
Dieser Zweifel bedrückte mich nicht. Wir waren eben einer Vermutung nachgegangen. Sicher
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