Saga von Dray Prescot 19 - Jikaida-Zyklus 01 - Ein Leben für Kregen
hochgelegene Landeplattform des Palasts sprang, suchte ich unter den Gesichtern jener, die uns begrüßten, nur das eine, das sich aber nicht fand. Ein neues und schlimmeres Gefühl des Verlusts befiel mich. Hier und jetzt brauchte ich Delia neben mir.
Und dann – nun ja, dann erst fiel mir der Ausdruck der Gesichter auf.
Traurig. Angespannt. Abgemagert. Wie von einer gewaltigen Katastrophe niedergedrückt. Viele Frauen trugen Trauerkleidung. Ein Schauder überlief mich. Und natürlich wußte ich längst Bescheid. Doch ahnte ich nicht das volle Ausmaß des Schreckens, der das stolze Vondium befallen hatte, die Hauptstadt des Reiches.
Kyr Nath Nazabhan, ein lieber Gefährte, ein guter Kämpfer, Kommandant der Phalanx, Kapt, war dermaßen deprimiert, daß er mich zunächst nicht anschauen wollte, sondern sich lediglich zitternd vor mir niederwarf, zerknirscht, beschämt, von Kummer zerrissen – voller Schuld.
»Im süßen Namen Opaz', Nath! Steh endlich auf und gib mir Bescheid. Offen und ehrlich, so wie wir Kameraden sind.«
»Majister ... Majister ... die Armee. Meine Phalanx ...«
»Voves, nicht wahr?«
Er hob das graue Gesicht. »Majister! Woher hast du das gewußt?«
»Du vergißt, daß der Herrscher von Vallia seine Augen überall hat.«
Nun ja, man kann es immerhin versuchen, angesichts der Katastrophe noch einen schwachen Scherz zu machen.
Und dann erfuhr ich, was geschehen war; dann wurde mir die böse, häßliche, schlimme Geschichte vorgetragen.
In dem Raum mit den Büchern und den Landkarten und Waffen setzte ich mich hinter meinen Tisch und konnte Nath schließlich dazu überreden, sich mir gegenüber niederzulassen. Im Sprechen spießte er die Landkarte mit der Fingerspitze auf. Linien, Pfeile, Angriffsbewegungen, Hinterhalte, Überraschungen und zuletzt die Schlacht. In Vondium war die Nachricht eingetroffen, daß eine Armee gesichtet worden sei, die von Vazkardrin an der Ostküste aus nach Südwesten marschierte. Ich nickte. Vazkardrin lag zwischen der Küste und den Kwan-Bergen, die in der dortigen Gegend die Grenze zu den Hawkwas kennzeichneten. Offenbar hatte Zankov seine Macht vorsichtig im Vadvarat Vazkardrin spielen lassen, das zuvor von einem Numim regiert worden war, dem schlauen alten Vad Rhenchon. Dieser Mann hatte sich aus den bisherigen Machtkämpfen stets herausgehalten. Zankov und sein Kumpel und seine aufständischen Hawkwas hatten dort die Macht übernommen und auf diese Weise einen sicheren Stützpunkt für die Klans geschaffen, die mit zenniccischen Schiffen von Segesthes herübergebracht wurden. So mußte es gewesen sein.
Südlich von Vazkardrin lag die herrschaftliche Provinz Jevuldrin – weit und flach, nach Naths Worten ein für die Manöver der Phalanx ideales Terrain. Zugleich war das Gelände aber auch sehr gut für die Kavallerie geeignet. Und nach meiner Ansicht gab es in ganz Paz keine Kavallerie, die sich mit den Vovereitern messen konnte. Das einzige Reitgespann, das gegen einen Vove-Angriff eine Chance hatte, war eine zweite Vove-Einheit ...
»Wir flogen los«, sagte Nath. Dann nahm er sich zusammen, rieb die Fäuste aneinander und erbleichte. »Nein, Majister, ich ließ sie losfliegen, jedes Himmelsschiff, das wir besaßen. Wir – ich nahm die Erste und die Zweite Phalanx, während die Dritte hierblieb. Die Churgur-Infanterie, die Axtträger, die Speerkämpfer, drei Viertel sämtlicher Zweige der Kavallerie. Und die Artillerie. Ein toller Anblick.« Er schluckte trocken. »Ein toller Anblick!«
»Ja.«
»Wir landeten und formierten uns. Und dann kam ein Sturm, ein schreckliches Unwetter. Die Himmelsschiffe konnten ihm nicht widerstehen, sondern mußten davor fliehen.«
Im Schutze dieses Sturms waren auch Dayra und ihre Freunde entwischt ...
»Und Farris«, fragte ich, »konnte mit seiner Luftkavallerie nichts unternehmen?«
»Nichts. Die Armee formierte sich am zweiten Tag. Prächtig, prächtig. Du hättest sie sehen sollen, Majister ...«
»Ich wünschte, ich hätte sie gesehen«, sagte ich mit einem gewissen sarkastischen Unterton, den ich nicht zu unterdrücken vermochte.
Nath verstand, was ich meinte, und neigte den Kopf.
»Wir stellten uns auf, wie man es uns beigebracht hatte. Die Phalanx ein Block aus Scharlachrot und Bronze. Kriegslieder wurden angestimmt. Dann rückten wir vor. Aber der Gegner ritt wie eine Lawine, wie der Wind, wie die unwiderstehlichen Tiden des Ozeans. Die Voves ...« Er konnte ein Weilchen nicht weiterreden.
Nun ja,
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