Saga von Dray Prescot 27 - Pandahem-Zyklus 01 - Die Labyrinthe von Scorpio
blauen Anzug, der mit Goldstickereien verziert war. Mein Auge fiel auf Rapier und linkshändigen Dolch – eine Bewaffnung, die damals in Pandahem noch ungewöhnlich war. Sein Gesicht zeigte jene bleiche, aristokratische, hohlwangige, rotfleckige Selbstüberheblichkeit, mit der sich unangenehme Charakterzüge vor all jenen verbergen lassen, die nicht allzugenau hinter die Fassade von Reichtum und Macht schauen wollen.
»Ilsa? Du bist in Sicherheit?«
Er versetzte den beiden Wächtern, die sich am Boden wälzten, einen Tritt. Die Rüstungen der armen Burschen hatten sich verhakt, und sie versuchten voneinander loszukommen, wobei sie jammernde Laute ausstießen. Der junge Dandy trat ein zweitesmal zu. Anscheinend hatte er Spaß daran.
»Llahal, Notor«, sagte Seg. »Wir würden gern eurer Expedition ...«
»Sprich nicht zu mir, ehe ich das Wort an dich richte, du Offal!« sagte der junge Herr.
Er wandte sich wieder dem Mädchen zu und verbannte Seg und mich damit aus seiner Welt. Eine gekonnte, wenn auch übertriebene Geste.
Seg schaute mich an, und ich lächelte, und dann mußten wir beide lachen.
In diesem Augenblick meldete sich eine neue Stimme zu Wort, eine weiche, volle Stimme. »Endlich ein bißchen Abwechslung in dieser Eintönigkeit.«
Wir schauten die Veranda entlang.
Der Besitzer der volltönenden Stimme hatte sein Gesicht zur Hälfte hinter einem großen gelben Tuch verborgen. Er trug eine schlichte dunkelblaue Tunika, so dunkel, daß man sie schon schwarz nennen konnte, wenn da nicht zahlreiche kunstvoll eingearbeitete königsblaue Flächen gewesen wären. Er war unbewaffnet. Seinen Worten lies er ein Niesen folgen. Sofort sprang die Frau vor, die ihn begleitete, und schwenkte einen glimmenden Zweig der Lapinalpflanze vor seiner Nase. Hustend und keuchend inhalierte er die aromatischen Dämpfe. Die Laute, die er verbreitete, erinnerten an eine Weinpresse, die nach der Lese in vollem Betrieb stand.
»Oh, oh, bei Beng Sbodine, dem Heiler aller Menschen. Ich sterbe! Meine Lungen brennen!«
»Ein Schluck Wein, Herr ...«
Auf wundersame Weise brachte die Frau, während sie den Lapinalzweig schwenkte, einen Krug Wein zum Vorschein. Der Mann griff danach, stellte ihn hoch und führte sich gluckernd das köstliche Naß zu. Dabei war auszumachen, daß seine Nase von erheblichen Dimensionen war, blau wie eine reife Pflaume. Sein ganzes Gesicht zeugte von den Wonnen des Lebens – leuchtende Wangen, volle Lippen, fröhlich blickende Augen, die beim Trinken allerdings zugekniffen waren. Dieser Mann wußte die guten Dinge des Lebens zu schätzen.
Was die Frau anging, die sich fürsorglich um ihn kümmerte, so war sie nicht seine Sklavin, denn sie trug ein ordentliches blaues Gewand mit einem Gürtel aus bronzenen Kettengliedern, außerdem leuchtete in ihrem Haar ein kostbarer Kamm. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck, den zu deuten es vieler Jahre bedurft hätte, ohne sicher zu sein, die richtige Beschreibung gefunden zu haben; jedenfalls sprach der erste Eindruck von einem halb belustigten, aber ergebenen Dienst an dem älteren Mann. Und zu sagen, sie umschwirrte ihn, wäre nicht richtig gewesen. Sie wußte mit dem Mann umzugehen, sie sorgte dafür, daß er an Medizin und Wein und Trost bekam, was ihm zustand und was im jeweiligen Augenblick erreichbar war.
Nachdem er sich wieder gesammelt hatte, sagte er: »Warum setze ich meine Gesundheit aufs Spiel, indem ich während der Regenzeit hierherkomme?«
Er erschauderte. Dann fuhr er mit weniger klagender Stimme fort: »Strom Ornol, mir will scheinen, du hast keine Verwendung für diese beiden Männer. Deshalb werde ich mich um sie kümmern.«
Während dieser Farce hatte das Prasseln des Regens auf dem Dach nicht aufgehört. In der Stille nach den Worten des Mannes, der seine leuchtende Nase wieder hinter dem gelben Tuch verbarg, war das Prasseln um so lauter zu hören. Ein Mutloser hätte das dröhnende Brausen für den Trommelwirbel des Jüngsten Gerichts halten können.
»Sie bekümmern mich nicht, außer daß sie bestraft werden müssen, weil sie meine Bediensteten geschlagen haben.«
Segs Adern begannen bereits wieder zu schwellen, und ich legte ihm beruhigend eine Hand auf den Unterarm. Er senkte den Bogen. Das gelbe Tuch zuckte; der Mann schien den kleinen Zwischenfall beobachtet zu haben.
»Da sie jetzt in meinen Diensten stehen, würde ich es sehr ungnädig aufnehmen, sie von anderer Hand gestraft zu sehen.«
Der junge Lord, starr und
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