Saga von Dray Prescot 28 - Pandahem-Zyklus 02 - Delia von Vallia
den Kopf.
»Ja, das Rennen soll stattfinden!« rief er. »Dem Sieger ein Beutel Gold.«
»Hai!« brüllten die Männer. »Hai auf Lord Cranchar!«
»Räumt die Harfe fort!« wies Nath an.
Trotz seiner Bindung zu Sissy war der Muncible zweifellos ein verräterischer, sklavenunterdrückender Anhänger Cranchar Gillois’. Delia durfte von ihm keine Vorzugsbehandlung erwarten.
Das Vuvushi-Rennen, bei dem Mädchen laufen mußten und mit blankem Stahl ihre Konkurrentinnen zu behindern versuchten, war eine Sache. Unten am Ende des Saals wurden Mädchen nun für einen anderen ›Sport‹ vorbereitet.
Sklaven hievten die Harfe zur Seite. Zum erstenmal wurde sich Delia des dunklen Flecks im Holzboden bewußt, der bisher durch einen Teppich verdeckt gewesen war. Sie wußte, wie dieser Fleck hierhergekommen war. Die Harfe wurde seitlich abgestellt, mehr im Blickfeld Cranchars. Delia nahm ihren Stuhl auf und folgte mit langsamen Schritten dem Instrument. Sie schleuderte Cranchar dem Cranchu den Stuhl nicht an den Kopf. Sie wollte ihr Leben nicht sinnlos opfern.
Er trug Rapier und Main-Gauche, den Jiktar und den Hikdar. Die Waffen waren reich verziert. Jetzt zog er den linkshändigen Dolch und schlug damit auf die Tischplatte.
Das Lärmen ließ etwas nach.
»Start ist dort, Ziel ist hier!« Er schleuderte den Dolch auf den Boden vor dem Tisch, wo er zitternd steckenblieb. »Das ist die Ziellinie.«
Sechs Mädchen wurden am anderen Ende aufgestellt. Es gab Auseinandersetzungen, wer laufen sollte und wer nicht. Lautes Gelächter ertönte. Ein Mann riß sich die Kleidung vom Leib und verkündete, er wolle auch mitreiten, aber schon fiel er auf das Gesicht und begann trunken zu schnarchen. Er wurde mit Fußtritten aus dem Weg befördert, und sechs Männer machten sich bereit, ihre Reittiere zu besteigen.
Das Rennen war ganz einfach. Die Mädchen würden laufen, gehen oder auf Händen und Knien zur Ziellinie kriechen - die Männer hockten auf ihrem Rücken und trieben sie an.
Das war das als Shishivakka bekannte Rennen.
Ein klirrender Beutel Gold erwartete den Sieger.
Cranchar brauchte den Kopf nur ein wenig zur Seite zu drehen, um Delia zu sehen. Das gerötete Gesicht wandte sich in ihre Richtung. Der vollippige rote Mund ging auf.
»Spiel zum Rennen, Mädchen!«
»Nein«, antwortete Delia.
15
In dem allgemeinen Lärm hörte Cranchar ihre Antwort kaum. Und er konnte sich nicht vorstellen, daß sie das, was er zu hören glaubte, wirklich gesagt hatte.
»Wir nehmen ›Die achatgeflügelten Jutkämpfer‹ - das ist ein munteres kleines Lied. Spiel, Mädchen!«
»Nein«, sagte Delia.
Nun hörte er es doch.
Noch immer glaubte er nicht, was seine Ohren ihm übermittelten.
»Spiel!«
»Nein!«
Das Lärmen am anderen Ende des großen Saals hallte von der Decke wider. Das Johlen vermengte sich mit dem Klirren von Flaschen, dem Krachen von Bänken, umgeworfen von Männern, die sich vordrängten, um das Rennen besser beobachten zu können. Cranchar steckte sich einen Finger ins Ohr und bewegte ihn heftig hin und her. Dann schüttelte er den Kopf.
»Du willst nicht zum Rennen spielen, Sklavin?«
In das bereits glühende Gesicht stieg heftig das Blut. Er gab ihr keine Gelegenheit zum Antworten, sondern spie die Worte in einer leidenschaftlichen Woge hinaus.
»Du verweigerst den Gehorsam? Du bist Sklavin und willst nicht gehorchen?« Delia schüttelte kaum merklich den Kopf. »Dann wirst du jikaider gepeitscht, bis dein Rücken ein Pudding ist!« brüllte er. »Hai! Chica!«
Aber Chica hatte den Saal in dem Augenblick verlassen, als die ersten Shishivakka-Rufe aufkamen.
Ein seltsames Brummen breitete sich in Delias Kopf aus. Es kam ihr vor, als bewege sich in ihrem Innern vibrierend und widerhallend eine Harfensaite und schicke ihren Ton in die Welt hinaus. Sie verachtete und verlachte insgeheim die Einbildung von Frauen wie Nyleen Gillois; doch sie sah sich als Frau außerstande, zu einem solchen Rennen zu spielen. Daß diese Weigerung unangenehme Folgen haben würde, stand fest. Trotzdem handelte sie entschlossen - und das zeigte ihr, daß ihr die Mentalität einer Sklavin trotz allem noch fern war.
Cranchar der Cranchu machte mit lautem Brüllen seiner Entrüstung Luft. Tobend sprang er auf. Seine Männer dämpften ihr eigenes Gebrüll und starrten verständnislos nach vorn.
»Die Sklavenharfenistin weigert sich zu spielen!« Die Worte machten die Runde. Männer rissen die Augen auf. Und plötzlich
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