Saga von Dray Prescot 32 - Pandahem-Zyklus 06 - Seg, der Bogenschütze
warf nicht einfach Leinen mit Ködern und Haken über die Bordwand und zog fröhlich seine Last herein – wer so dumm war, lief Gefahr, mit gewaltigem Ruck ins Wasser gezerrt zu werden. Ebensowenig legte man Netze aus und zog sie mit prächtig schimmerndem Fang an Bord – in den meisten Fällen hätte man nur Fetzen und Lumpen an den Leinen gehabt.
Statt dessen behalf man sich, indem man zwei oder drei, manchmal auch vier oder fünf Boote längsseits legte und mit einem gemeinsamen Deck versah. Die Fischer legten sich dann hinter sichere Barrieren und warfen lange Fischspeere. Sie mußten ihren Zielen auflauern und dabei das Eßbare von den Raubfischen trennen. Ein schneller Wurf, und schon faßten die Widerhaken, die wahrscheinlich aus Reißzähnen der Flußungeheuer gefertigt waren. Anschließend mußte die Beute schnell an Land geholt werden. Ließ man sich dabei zuviel Zeit, konnte es geschehen, daß vom Fang nur noch die Hälfte übrig war.
Ein Fluß kann viele verschiedene Spezies enthalten, und die Fische und Pflanzen ernährten sich gegenseitig. Ein Regenwald ist eine fein und empfindlich ausbalancierte Biosphäre; die Lebewesen lernen es, zusammen zu existieren und ihren Teil zum Fortbestehen des Waldes zu tun. Nalvinlad, das am Ende des eigentlichen Waldes lag, stützte sich zum Teil auf den Dschungel, zum Teil auf die Ebene, die sich nach Norden dehnte. Hundle äußerte Zweifel, ob sie so einfach durch die Hauptstadt fliehen konnten, ohne daß Fragen gestellt wurden.
»Dann sollten wir anlegen und zu Fuß gehen«, meinte der Dorvenhork auf seine knurrige Art. »Ich sterbe fast vor Hunger.«
Alle waren hungrig.
»Es wäre wirklich das beste, wenn wir bei unserer Verhaftung nicht in einem gestohlenen Boot säßen«, sagte Hundle.
Caphlander äußerte die fromme Hoffnung, daß doch noch alles gut werden würde.
Schließlich war doch alles sehr plötzlich und überraschend zu Ende. Auf dem Fluß waren etliche andere Boote und Fischerfahrzeuge unterwegs; aus ihrer Mitte löste sich übergangslos ein Paddler und bewegte sich mit umschäumtem Bug auf die Fliehenden zu. Nach einem kurzen Blick stieß Seg einen dermaßen zornigen Ruf aus, daß es niemand wagte, dazu etwas zu sagen.
Nun wiederholten sich die Ereignisse. Das Boot mußte den Bug auf das Ufer richten, wenn es nicht sofort versenkt werden wollte. Es dauerte nicht lange, da lagen alle wieder in Ketten und waren auf dem Weg zu Kov Lliptons Verliesen in der Stadt. Das Tempo, mit dem diese Dinge geschahen, machte nur schwachen Eindruck auf Seg. In diesen Minuten waren seine Gedanken nicht gesammelt, war er nicht der alte Seg Segutorio, der sich auf seine wilde, ungestüme Art gewehrt hätte – und dabei wahrscheinlich törichterweise ums Leben gekommen wäre.
Das Boot, dem sie zum Opfer gefallen waren, hatte einen Kurs flußabwärts gesteuert, von energischen Paddelschlägen zu gischtiger Fahrt angetrieben, kommandiert von Peitschen-Deldars. Über dem Boot wehten blauweiße Flaggen im grellen Licht Zims und Genodras.
Vom hohen Achterdeck schaute Kov Llipton auf den elenden Haufen Gefangener hinab. Golddurchwirkte Tuchbahnen rahmten seinen Sitz. Die Füße hatte er auf einen Hocker aus elfenbeinverzierten Balassholz gestellt. Aufmerksame Wächter standen hinter ihm und schwenkten zur Kühlung des Kovs lange gelbe Federfächer.
Seg hockte in Ketten an Deck und betrachtete seine eigenen Füße.
»Ihr seid Schurken und Unholde, ihr habt Soldaten in der Ausübung ihrer Pflicht getötet. Ihr seid Drikinger! Es ist daher angebracht, daß ihr nach den Gebräuchen des Flusses sterbt.«
Hundle äußerte sich auf eine Weise, die unter den gegebenen schlimmen Umständen sehr würdevoll anmutete: »Nein, Pantor, nein! Wir haben lediglich wehrlose Frauen verteidigt. Wir haben nicht gegen das Gesetz des Flusses verstoßen.« Daß Llipton von den berühmten Gesetzen sprach, hatte Hundle den Planer offensichtlich angespornt.
»Betreib hier keine Haarspaltereien!« erhob sich das Löwengebrüll über die Gefangenen. »Ich habe mein Urteil gesprochen. Jetzt schwimmt ihr!«
Seg hob den Kopf.
Kov Llipton war ein Numim, ein Löwenmensch mit einem finsteren Löwengesicht, das von langen Schnurrbarthaaren gerahmt war. Seine Mähne funkelte im Licht der Sonnen. Angetan mit einer Kriegsrüstung, wirkte er kräftig und widerstandsfähig wie die meisten Angehörigen seiner Rasse. Unerbittlich schaute er auf seine Untertanen nieder – Oberherr, Richter, Gebieter
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