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Sagan

Sagan

Titel: Sagan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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jede Träne wurde zu einem Pfeil, der ihn schmerzhafter durchbohrte, als die Kugel es getan hatte. Wenn sie gewusst hätte, wie tief es ihn berührte, sie weinen zu sehen, hätte das kleine Biest es wahrscheinlich viel öfter getan, um ihren Willen durchzusetzen.
    Normalerweise beschwichtigte er sie barsch, indem er etwas Unsinniges oder Einstudiertes sagte und verschwand.
    Doch als er jetzt spürte, wie sie vom Adrenalin und vor lauter Schuldgefühlen wegen seiner Verletzung zitterte, konnte er es nicht einfach abtun. Er war wütend, weil sie sich in Gefahr gebracht hatte, doch zugleich schaffte er es nicht, sie deswegen noch mehr zu maßregeln und ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Im Grunde verbrachte er jede Minute mit ihr, nicht nur weil er sie beschützte, sondern weil er alles mit ihr teilte. Und das seit beinahe vierzig Jahren. Mit der Zeit waren sie die besten Freunde geworden, und sein Glaube an sie und seine Loyalität ihr gegenüber hatten stets von ihm verlangt, dass er nichts verriet von seiner Ergebenheit ihr gegenüber und von seiner Liebe.
    Er hob die Hand zu ihrem Gesicht, und sie schnalzte mit der Zunge, denn es war sein verletzter Arm. Mit dem Daumen strich er über die salzige Tränenspur auf ihrer rechten Wange.
    »
K’yatsume
«, sagte er, und seine tiefe Stimme war ganz sanft. »Malaya, ich kenne dich besser als irgendjemand sonst, und ich kann deine Reaktion verstehen.«
    Sie schüttelte den Kopf, nicht gewillt, sich selbst zu verzeihen, während sein Blut zwischen ihren Fingern hindurchsickerte.
    »Nein. Ich hätte selbst eine Kugel abbekommen sollen für mein dummes Verhalten.«
    »
Aiya
!«, rief er frustriert aus. »Das hätte noch gefehlt! Was für ein törichter Wunsch!«
    »Sei still«, fauchte sie ihn an. »Du hättest mich gehen lassen sollen! Ich hätte es verdient!«
    »Oh ja, aber meine Aufgabe ist es, deinen Arsch zu retten, auch wenn du noch so verbohrt bist!« Seine Stimme wurde lauter und wütender mit jedem Wort. Er packte sie an der Schulter und schüttelte sie. »Ich schwöre dir, Malaya, du läufst eher Gefahr, dass ich dir den Hals umdrehe, als dass du dir eine Kugel einfängst!«
    »Na toll. Erstaunlich, dass man ausgerechnet dich damit betraut hat«, sagte sie trocken.
    »Weil das zehnmal besser ist, als es dir selbst zu überlassen!«
    »Du kannst mich mal!«
    »Provozier mich bloß nicht, Prinzessin!«, knurrte er bedrohlich.
    Malaya hob ihre dunklen Augen, und der warme Whiskeyton ihrer Haut war wie dunkles Gold in seinem Nachtsichtmodus, und er konnte sehen, wie ein verschmitztes Lächeln über ihr Gesicht huschte.
    »Ich denke, ich habe mich ziemlich schlecht benommen«, gestand sie, wobei sie eher belustigt als zerknirscht aussah. »Doch es war ziemlich naheliegend. Und ich darf vielleicht sagen, dass du einen ganz schön knackigen Hintern hast,
Ajai
Guin. Ich konnte gar nicht richtig zupacken.«
    Zu Malayas Überraschung schoss ihm das Blut ins Gesicht, und ihr Baum von einem Leibwächter errötete tatsächlich und blickte weg. Erstaunt sah sie, wie er mühsam zu schlucken versuchte, doch der Konter blieb aus. Er überspielte seine Verlegenheit, indem er sie ein Stück wegschob und ihre Hand von seiner Schulter wischte. Er wich ein Stück zurück, und jetzt kam der Konter. »Glaub bloß nicht, dass Schmeicheleien irgendetwas bringen«, schimpfte er, während er sie am Handgelenk packte und in die Höhle zog. »Ich werde das nicht vergessen.«
    »Was willst du denn tun, es herumerzählen?
M’itisume
«, sagte sie und ahmte seine tiefe Stimme nach, während sie die Schultern straffte, »deine Schwester hat mich in den Hintern gebissen. Und dann hat sie mir noch einen Klaps gegeben.«
    »Das war kein Klaps!«, stieß er empört hervor. »Du hast mich geschlagen!«
    Sie stieß ein Kichern aus, das wie immer kein bisschen eingeschüchtert klang. »Ich habe dir einen Klaps gegeben … auf den Hintern.«
    »Malaya, ich schwöre bei der Dunkelheit und beim Licht und bei allen Göttern, die dir sonst noch einfallen, du gehst zu weit!«, warnte er sie.
    »Schon gut«, lenkte sie ein und hob ihre freie Hand in einer Geste der Unterwerfung. Sie wartete, dass er sich erneut umdrehte, und sagte dann: »Macht es dich etwa an?«
    Verwundet oder nicht, oder gerade weil er verwundet war, war es nicht besonders klug, Guin zu reizen. Unglücklicherweise schien Malaya ein Talent dafür zu haben. Sie hätte es vielleicht sogar Berufung genannt. Kein Tag verging, an dem sie und

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