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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
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Freundschaft und Dankbarkeit erwerben konnte: Er bot sich den Suchenden als Quirlstrick an. Der tausend Meilen lange Schlangenkönig schlang sich um den Mandara.
    Die Götter faßten seinen Kopf, die Dämonen den Schwanz, und in gleichmäßigem Hin und Her wirbelten sie das Meer durcheinander, daß der Gischt in die Wolken spritzte.
    Huii! sauste und rauschte das, als die Wellen hier Abgründe aufrissen, dort Berge auftürmten! – Wie im Donner erzitterte die Erde unter dem mächtigen Wogenprall.
    In jähem Wirbel wurden zuerst alle Fische in den brodelnden Abgrund gerissen. Immer schneller drehten Götter und Dämonen! Die Drehstürme rissen Vögel aus der Luft und warfen sie in den schäumenden Kessel. Und der Riesenquirl tanzte immer schneller! Die Tiere der Uferwälder wurden von Luftwirbeln in die Tiefe geschleudert, und alles Leben da unten zerstoßen, zermalmt, zerrieben! Baum und Gras wurden hineingerissen, und der Mandara glühte mitten im Meer und ergoß Ströme geschmolzenen Goldes und Silbers ins Wasser!
    Da gerannen plötzlich die tobenden Fluten. – Ein wunderschönes Weib in goldgelbem Kleide hob sich aus dem Schaum, in der Rechten eine Schale aus einem einzigen Edelstein tragend: darin war Amrita, der Trank der Unsterblichkeit.
    Das herrliche Weib war Lakschmi, die Göttin des Glückes, die leibhaftige Schönheit.
    Sie schlang den Arm um Wischnus Hals und wählte ihn zu ihrem Gatten.
    Die Götter tranken von dem köstlichen Amrita und gedachten nicht der Dämonen, die jenseits des Berges standen. Die leuchtende Schale ging von Hand zu Hand und ward nicht leer.
    Plötzlich bemerkten Sonne und Mond, daß sich Rahu, ein Dämon der Finsternis, unter die trinkenden Götter gemischt hatte und eben an der kostbaren Schale nippte. Erschreckt riefen sie Wischnu an, dieser schleuderte seine nie fehlende Wurfscheibe und schnitt damit Rahus Haupt vom Rumpfe.
    Tot sank der Leib des Dämonen zu Boden, denn der Unsterblichkeitstrank war noch nicht durch die Kehle gelaufen. Das abgeschnittene Haupt aber fliegt ewig durch den Weltenraum, denn unsterblich ist es durch das Amrita geworden:
    Brüllend verfolgt es Sonne und Mond, kommt bald diesem, bald jener nahe und droht die Leuchtenden zu verschlingen – denn sie haben Rahu an Wischnu verraten.
    Als die Dämonen sich von den Göttern um das Amrita betrogen sahen, stürzten sie hinter dem Berg hervor, und es kam zu fürchterlichem Kampf.
    Aber die Unsterblichen erschlugen der Dämonen so viele, als sie umdrängten. Nur wenige konnten sich vor den streitbaren Lichtgöttern in die Tiefe des Meeres retten.
    Nachdem die Götter den Berg Mandant wieder auf seinen Platz gestellt hatten, traten sie mit dem Schlangenkönig Wasuki vor Brahmas Angesicht.
    Sie priesen dem Ewigen die guten Dienste, die der Herr der Schlangen ihnen geleistet hatte, und baten den Weltenschöpfer, den Fluch der Kadru zu mildern, denn die Sorge um die Zukunft der Seinen verzehre den wackren Wasuki.
    Da sprach der milde Herr der Geschöpfe:
    »Unauslöschlich steht der Mutter Fluch in meinem Sinne, und zu viele der Giftwürmer schleichen unter meinen geliebten Geschöpfen umher. Sie sollen untergehen, auf daß die Welt gedeihe und der Mutter Wort geachtet werde wie meines! Nun eine kleine Schar von ihnen will meine Gnade erretten:
    Wenn Wasukis Schwester Dscharatkaru die Gattin eines frommen Einsiedlers wird, der, trotz seiner Gelübde, um ein Weib bettelt, so wird sie einen edlen Sohn gebären, welcher die letzten Schlangen vor den unwiderstehlich lockenden Zauhersprüchen des Opferpriesters bewahrt!«
    Traurig ob des unabwendbaren Verhängnisses schlich Wasuki von dem Lotusthron des Ewigen hinweg.
    Er sandte die Klügsten seines Volkes durch alle Lande, daß sie den Büßer suchten, welchen das Schicksal seiner schönen Schwester zum Gatten bestimmt hatte: das Geschlecht der Zickzackläufer sollte nicht aus der Welt verschwinden.

Patala, die Unterwelt
    Die letzten Dämonen hatten sich im Meer verborgen und brüteten Rache.
    »Laßt uns Glauben und Sitte vernichten!« sprachen sie. »Ist die Zucht der Frommen dahin,, so bleiben die Götter ohne Opfer, und ihre Kraft schwindet wie Schnee vor der Sonne. Schweigt die Lehre, so stirbt Sitte und Brauch; keiner wird dann ein Opferfeuer entzünden und den Himmlischen Speise und Trank bieten!«
    Des Nachts schlichen sie aus den Gewässern, erwürgten die frommen Brahmanen, die Einsiedler und Büßer, und fraßen ihr Fleisch, daß die Knochen und Schädel

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