Sagen und Märchen Altindiens
dein,
Bettelsuppenknöchelein,
Würfel nahmen alles!
Da stand der Unglückliche vor seinem Weib und sprach: »Sieh, soweit ist es mit mir gekommen!«
Damayanti aber schlug das Ende ihres Mantels um den Nackten, und beide in ein Kleid gehüllt, zogen die Gatten weiter.
Wo sie auf einen Weg stießen, da sagte Nala: »Hier geht's nach Kosala!« oder »Der führt zu den Vindhyabergen, wo die heiligen Büßer hausen!« Da bangte Damayanti, daß der Gram- und Schamverzehrte sie verlassen könnte, und sie bat: »Laß uns nach Widarbha gehen: der Vater nimmt uns gerne auf!«
»Ich kann nicht betteln!« sprach Nala, und im Weiterschreiten beschrieb er den Weg nach Widarbha.
Damayanti weinte und sprach: »Wie könnt' ich dich verlassen, du armer, nackter König! Wer soll dich trösten, wenn du leidest, wer dir Nahrung reichen, wenn du hungerst, und Wasser, wenn du dürstest? Wo willst du, Müder, dein Haupt betten, als in meinem Schoß? Bin ich schuld an deinem Elend? – Du ? – Nein! der Böse ist's, der an deinem Herzen frißt! Und wo fände ein Arzt bessere Heilmittel für einen Kranken, als in dessen treuen Weibes Sinn!«
So klagte die Edle, bis sie an eine leere Hütte kamen, die wohl vor langer Zeit ein Einsiedler verlassen haben mochte.
Darin legten sie sich auf die bloße Erde, bedeckten sich mit ihrem einzigen Gewand und schliefen bekümmert ein.
Als der Mond durch das löchrige Dach in die Hütte schien, erwachte Nala und sah sein Weib im tiefen Schlaf der Erschöpfung liegen. Und so sehr hatte der Böse seinen Sinn verwirrt, daß er beschloß, Damayanti zu verlassen. Sein Verstand suchte sein unruhiges Herz zu beschwichtigen: »Ohne mich«, dachte er, »mag Damayanti immerhin nach Widarbha gehen; man wird sie dort besser aufnehmen als mich Bettelkönig. Ich tauge nur in den wildesten Wald und mein zartes Weib müßte dort verkommen. Ich darf mein Weib nicht mit ins Elend nehmen!«
Solche überreife Wahrheits- und unreife Lügenfrüchte verwirrten ihn vollends. Er stand auf und schnitt von Damayantis Kleid gar leise die Hälfte ab. Damit verhüllte er seine Blößen und floh aus der Hütte in die Waldesnacht.
Wohl trieb es ihn wieder zurück, wohl graute ihm davor, sein Weib schutzlos den Schrecken der Wildnis preiszugeben, aber Kali flüsterte ihm gute Gründe dafür ins Ohr und drängte so heftig, daß die Morgenröte Nala schon viele Meilen weit von der Hütte fand.
Das war ein böses Erwachen, als Damayanti am Morgen, noch im Halbschlaf, den Gatten an ihrer Seite suchte.
»Mein König, wie kannst du mich so erschrecken?« rief sie, lief aus der Hütte und suchte Nala in der Umgebung. Aber wie sie auch rief, wohin sie auch lief, er war nicht zu sehen.
»O Nala, mein Herr, wie konntest du die Schuldlose strafen für anderer Fehl?« rief sie ein über das andere Mal. »O nein! Du kannst mich nicht verlassen, du hast mir ja Treue geschworen vor den Welthütern!«
Und ihr Geist begann sich zu verwirren.
»Dort, dort! ich seh' dich, Nala! hinter dem Baum – jetzt unter dem Strauch – oh, neck' mich nicht – versteck' dich nicht! –
Verloren – preisgegeben den wilden Tieren, dem Hunger und Durst, den Schrecken der Nacht – Irrlichtern und bösen Geistern – und mein Nala fern! – Wahrlich, ich erkenne, daß unsere Todesstunde vom Schicksal unabänderlich vorherbestimmt ist, sonst hätt' ich sterben müssen unter seinem Abschiedsblick. –
O ihr Götter! ich jammre und bedaure nur mich – während er, der Herrliche, schutzlos, fast nackt, durch die Wälder irrt, gepeinigt von seinem Gewissen und in heißer Sorge um sein Weib, das er verlassen mußte – ja mußte! – Wie wird er leiden, da ihn sein zerrissenes Herz auch noch des Letzten, der liebenden Gattin, beraubte. – Oh, Fluch über den Feind, der ihm das angetan: zwiefach komme das Leid über den, der das edelste Mannesherz zerfleischt! Wenn das Wort eines reinen Weibes bei den Unsterblichen noch gilt, so treffe den Bösen mein Fluch, wo er auch weile!«
Und weiter irrte sie durch den Urwald, bald links, bald rechts, rufend und suchend, fürchtend und hoffend, taumelnd, stolpernd, sich aus Dornenumstrickung reißend und die Haarflechten aus haschendem Astwerk lösend. Da züngelte ihr eine Riesenschlange entgegen und umschlang die tödlich Erschreckte.
»O Nala! jetzt eil' mir zu Hilfe, wenn du dein Weib noch lebend sehen willst. Komm! sonst wird der Kummer dich verzehren, wenn einst der böse Feind von dir gewichen und du in neuem
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