Sagen und Märchen Altindiens
Kriegcrkaste Geltung habe. Sie drohten mit Worten und Fäusten und erhoben ihre Waffen. Da griff Ardschuna nach dem Bogen, mit welchem er eben die Braut gewonnen hatte. Bhima brach durch die Menge, mit einem Baum, den er irgendwo ausgerissen hatte, und stellte sich neben den Bruder. Schalya, der König von Madras, stürzte mit Durjodhana gegen die beiden Kämpfer, doch Bhima vertrieb sie lachend mit seinem Baum. Karna sprang vor, aber als er auf Ardschunas Schulter die weiße Schnur des Brahmanen sah, neigte er sich voll Ehrfurcht und senkte die Waffen. Da gaben auch die anderen den Widerstand auf. Die fünf Brüder, die sich einstweilen zusammengefunden hallen, neigten sich vor dem König und gingen mit Draupadi nach dem Hause des Töpfers. Als sie in die Stube traten, sprach Ardschuna:
»Sieh. Mutter, was wir heute Köstliches bringen!«
Ohne aufzusehen sprach Kunti: »Genießet es alle miteinander, und der Himmel wird es Euch segnen!« denn sie dachte, die Söhne kämen von ihrem täglichen Bußgang und brächten die Almosen mit.
Während sie sprach, war Krischna eingetreten, ein Fürst der Jadava und Brudersohn Kuntis. Er hatte seine Vettern auf dem Festplatz erkannt und war ihnen heimlich nachgegangen. Der begrüßte sie alle und sagte, daß man der Mutter Wort strenge befolgen müsse: Draupadi sollte die Gattin aller fünf Pandava werden, der leuchtende Mittelpunkt der Familie, deren ganze Macht die Einigkeit war!
Damit waren alle einverstanden, und nach Krischnas Abschied gingen sie zur Ruhe: Sahadeva, der Jüngste, breitete die Felle auf dem Boden aus. Darauf schliefen die fünf Brüder, zu Häupten die Mutter, zu Füßen die Braut.
Am nächsten Morgen, als die Freier die Stadt verlassen hatten, erschienen die Pandava vor Drupada und gaben sich ihm zu erkennen. Da herrschte große Freude in Pantschala, denn die tapferen Brüder waren dem König und seinen Getreuen willkommene Bundesgenossen.
Zwar zeigte sich Drupada anfangs wenig geneigt, seine Tochter allen fünf Pandava als Gattin zu geben, doch Judhischthira, der Sohn des Rechtes, berief sich auf die alte Sitte ihrer unteilbaren Familie, und Krischna bekräftigte seine Worte dadurch, daß er ein paar Beispiele solcher Gruppenehen, aus uralter Zeit und edlen Geschlechtern, nannte.
In aller Feierlichkeit traute Dhaumia, der neue Opferpriester der Pandava, allen fünf Brüdern die Braut an und ließ Draupadi mit jedem das Hausfeuer in sieben Schritten rechtshin umwandeln. Der Brautvater aber und die Hochzeitsgäste, vor allem Krischna, beschenkten die Neuvermählten mit Gold und Edelsteinen, Blumen und köstlichen Spezereien.
Wie ein Lauffeuer verbeitete sich die Kunde, daß die Pandava lebten. Sie kam auch in den Palast von Hastinapura, und der alte, blinde König freute sich laut, daß das Haus seines Bruders nicht untergegangen sei. Doch Durjodhana schalt darob den Vater vor dem ganzen Hof, und der kindische Greis stammelte verlegen von List und Verstellung, um den erzürnten Sohn zu beschwichtigen.
Durjodhana brachte alte und neue Pläne vor, um sich der gefährlichen Thronbewerber zu entledigen, aber der redliche Bhischina und der tapfere Drona bewogcn den blinden König, den Ansprüchen der Pandava durch eine Teilung des Reiches gerecht zu werden.
Der weise Vidura mußte nach Pantschala reisen, und er brachte die fünf Brüder samt ihrer Gattin, ihrer Mutter und dem Jadaverfürsten Krischna, der sich in inniger Freundschaft an Ardschuna geschlossen hatte, nach Hastinapura zurück.
Dort geschah die Teilung des Reiches. Der neidige Durjodhana und der ränkevolle Schakuni hatten es so zu wenden gewußt, daß der den Pandava zufallende Teil, die wüste Landschaft Kandavaprastha war. Doch die tapferen Prinzen focht das nicht an. Mit vielem, den Starken stets zulaufendem Volk, zogen sie in ihr Reich und bauten dort eine große Stadt, die sie, dem Götterkönig zu Ehren, Indraprastha nannten.
Ardschuna
In der schönen Residenz, die sie ihrer Kraft und Einigkeit verdankten, lebten die Pandava unter der weisen Herrschaft Judhischthiras glücklich und in Frieden. Und als sie dessen voll Freuden inne warden, schworen sie einander, daß derjenige in langjährige Verbannung ziehen solle, der diese Einigkeit störte.
Eines Abends erging sich Ardschuna im weiten Garten des königlichen Palastes. Da kam ein ehrwürdiger Brahmane und klagte, daß ihm soeben seine letzte Kuh geraubt worden sei. Rasch war Ardschuna bereit, die Räuber zu verfolgen und ihnen
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