Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Querschnittsgelähmten im Pflegeheim von Sant Cugat.
»Ich glaube, mir wird gleich schlecht«, murmelte Mabel gemäß ihrer mit Munárriz getroffenen Absprache. »Können Sie mir sagen, wo die Toiletten sind?«, bat sie Mascaró.
»Durch den Gang bis zum Aufzug, dann links. Sie können es nicht verfehlen.«
»Danke«, sagte sie und eilte hinaus, wobei sie sich krümmte, als könnte sie das Erbrechen kaum zurückhalten.
»Nicht jeder verträgt die Kälte und den Formolgeruch hier unten«, sagte Mascaró verständnisvoll.
»Sicher nur beim ersten Mal«, gab Munárriz zurück, ohne den Toten aus den Augen zu lassen.
Mabel schloss sich in der Toilette ein und nahm ihr Telefon heraus. So ein Ärger! Sie saß in einem Funkloch. Bei ihrem Plan hatten sie nicht bedacht, dass die Leichenkammer mehrere Meter unter der Erde lag. Mit dem Telefon in der Hand eilte sie in den Gang hinaus und folgte ihm so lange, bis sie auf der Anzeige sah, dass die Signalstärke für einen Anruf ausreichte. Sie wählte die Nummer des Gerichtsmedizinischen Instituts von Katalonien und behauptete, sie müsse dringend mit Doktor Luis Mascaró sprechen. Die Telefonistin bat sie zu warten, und schaltete sie auf »Halten«. Nach einigen Sekunden legte Mabel auf.
Als sich der Piepser des Pathologen mit durchdringendem Ton meldete, bat dieser Munárriz mit einer ärgerlichen Geste um Entschuldigung. »Da scheint ein dringender Anruf für mich gekommen zu sein. Warten Sie bitte hier, ich muss rasch in mein Büro. Es dauert sicher nicht lange.«
Munárriz wartete, bis er hörte, wie sich die Aufzugtür schloss, dann nahm er ein Paar Latexhandschuhe aus einer Schachtel und versuchte, den Mund des Toten zu öffnen. Als Mabel hereinkam und ihn nervös fragte: »Hast du es?«, gab er zurück: »Noch nicht. Wegen der Leichenstarre krieg ich die Kiefer nicht auseinander.«
»Wir müssen uns beeilen«, drängte sie. »Er kommt bestimmt gleich wieder.«
Sie sah sich um. Auf einem stählernen Tisch lagen, in ein graues Tuch eingewickelt, verschiedene chirurgische Instrumente, die man bei Autopsien verwendet. Sie nahm einen Rippenspreizer zur Hand, schob ihn zwischen die Kiefer und betätigte den Hebel. Millimeter für Millimeter öffnete sich der Mund des Toten.
»Das genügt«, sagte Munárriz nach einer Weile.
Er steckte die Hand hinein und hob die Zunge an. Verblüfft sahen sie die gleiche Tätowierung wie bei dem Querschnittsgelähmten: den Kopf eines Hundes, auf dem ein Hahn saß. Mabel nahm die Canon Ixus aus ihrer Handtasche, die ihr Pascual Arrese geliehen hatte, und machte mehrere Aufnahmen von der Tätowierung.
»Fertig«, sagte sie, als sie den Aufzug hörte.
Mit verärgerter Miene sagte Mascaró: »Blinder Alarm. Ich hab mich für nichts und wieder nichts nach oben bemüht – der Anrufer hatte schon aufgelegt.«
»Wir sind hier fertig«, sagte Munárriz.
»Dann lassen Sie uns wieder in das Reich der Lebenden zurückkehren«, schlug der Gerichtsmediziner vor. »Die Kälte hier unten ist auf die Dauer doch unangenehm.«
»Unglaublich!«, rief Mabel aus, den Blick auf den Bildschirm der kleinen hochauflösenden Digitalkamera gerichtet, während sie in Munárriz’ Peugeot über die Avenida del Hospital Militar zur Plaza Lesseps fuhren. »Du hattest Recht mit deiner Vermutung. Die glatten Hände und Füße und die Tätowierung hier zeigen deutlich, dass es zwischen den beiden eine Verbindung gibt.«
»Jetzt müssen wir unbedingt herausbekommen, um wen es sich dabei handelt.«
»Wie willst du das anstellen?«
»Indem wir getrennt marschieren«, schlug Munárriz vor, der sich weniger auf den Verkehr konzentrierte als darauf, das Rätsel zu entwirren. »Du versuchst festzustellen, wer diese Art von Tätowierung macht, und vor allem, was dahintersteckt und was sie zu bedeuten hat. Interessant wäre auch zu wissen, ob es da eine Beziehung zu irgendwelchen Gruppierungen in der Unterwelt gibt …«
»Wird erledigt«, erklärte sie sich bereit. »Und was machst du?«
»Ich rede mal mit unserem Kriminaltechniker Castilla. Es muss doch eine Möglichkeit geben dahinterzukommen, wer dieser Tote ist.«
Der Motorradfahrer fuhr langsam durch das gesicherte Tor des Klosters von Pedralbes, stellte seine schwere Kawasaki auf einem kleinen Platz an der Umfassungsmauer ab, zog die Handschuhe aus und nahm den Helm ab. Als er den Reißverschluss seiner Lederkombi öffnete, sah man ein graues Hemd und einen weißen Priesterkragen. Er nahm eine
Weitere Kostenlose Bücher