Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
in die Schreibtisch-Schublade, zog den Schlüssel ab und hängte ihn sich an einem Bindfaden um den Hals.
10
D er Taxifahrer wies nach links auf den von starken Scheinwerfern angestrahlten eindrucksvollen klassizistischen Bau des Zagreber Bahnhofs und nach rechts auf das Reiterstandbild des Königs Tomislav. Dahinter erhob sich der Kunstpavillon, ein weiteres Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, das durch seinen Anstrich in Maria-Theresia-Gelb auffiel.
Vor sich sah Munárriz die Fassade des Hotels Regent Esplanade , deren vier Säulen von herrlichen Kapitellen gekrönt wurden. Der Fahrer hielt vor dem Hoteleingang an und dankte Munárriz erst auf Kroatisch und dann auf Englisch für das großzügige Trinkgeld.
In Begleitung eines Pagen, der sein Gepäck auf einem kleinen Wagen transportierte, trat Munárriz ein und wandte sich der im Jugendstil gehaltenen Empfangstheke zu.
» Welcome to Zagreb «, begrüßte ihn der Empfangschef. »Haben Sie reserviert?«
Munárriz bestätigte das, legte seinen Pass vor und bat in seinem besten Schulenglisch um einen Stadtplan.
Der Empfangschef gab ihm einen, schlug den Pass auf, übertrug Munárriz’ Personalien in den Computer und stellte mit befriedigtem Nicken fest, dass auf diesen Namen ein Zimmer reserviert war. Er gab ihm den Pass zurück und händigte ihm einen Schlüssel aus.
In seinem behaglich eingerichteten Zimmer nahm Munárriz als erstes den Telefonhörer ab und bat den Zimmerkellner, ihm ein Gericht zu bringen, das er auf der Karte des hauseigenen Restaurants ausgewählt hatte. Er entfaltete den Stadtplan, suchte zwei bestimmte Straßen heraus und zog mit Kugelschreiber einen Kreis um die Namen.
Am nächsten Morgen stand er früh auf, bediente sich am üppigen Frühstücksbüfett und machte sich bei herrlichem Sonnenschein auf den Weg zur ersten der beiden gekennzeichneten Straßen.
Exotische Düfte stiegen ihm in die Nase, als er am botanischen Garten entlangging. Die Parks, Straßenbahnen und durch Luftverschmutzung und jahrelange Vernachlässigung heruntergekommen wirkenden Gebäude verliehen der Stadt einen Anstrich von Dekadenz, den Schmierereien auf manchen Mauern noch verstärkten. Zugleich aber wirkte Zagreb auf ihn erstaunlicherweise auch verlockend. Er schlug die Richtung zur Oberstadt ein und gelangte ins vom neugotischen Bau der Himmelfahrts-Kathedrale beherrschte Kaptol-Viertel. Rings um sich sah er Mauern und Türme der mittelalterlichen Stadtbefestigung.
Nach einem Blick auf den Stadtplan folgte er der Straße, die an einem schönen Park entlangführte, bis er schließlich vor der Auslage eines Kleiderladens stehenblieb. Er warf einen Blick ins Innere. Dort hingen Kleidungsstücke erkennbar minderwertiger Qualität an riesigen Metallständern, welche die Wände vollständig bedeckten. Das Ganze machte einen trostlosen Eindruck. Bei seinem Eintreten rief das Klingeln einer Türglocke eine asiatisch aussehende Frau aus dem Hinterzimmer herbei.
»Sprechen Sie Englisch?«, fragte er sie.
» Dui «, gab sie auf Chinesisch zur Antwort und nickte dazu.
»Ich würde Ihnen gern einige Fragen stellen«, fuhr er fort, obwohl er fest überzeugt war, dass sie kein Wort verstanden hatte.
» Dui «, wiederholte sie mit entwaffnendem Lächeln.
Munárriz hielt ihr die Aufnahme mit dem Toten vom Strand in Bogatell hin. Sie sah ihn erschreckt an. Offenkundig begriff sie nicht, was er wollte.
»Kennen Sie den?«, fragte er und legte das Foto auf die Theke.
» Ting bu dong… ting bu dong !«, rief sie laut aus und schüttelte übertrieben den Kopf, wobei sie langsam hinter den Vorhang zwischen Laden und Hinterzimmer zurückwich. An ihrer Stelle tauchte alsbald ein Mann auf, ebenfalls Asiate, klein, klapperdürr und mit so fest zusammengekniffenen Lidern, dass man seine Augen kaum sah. Mit drohender Miene fragte er in durchaus verständlichem Englisch: »Was wollen Sie?«
»Ich hatte nicht die Absicht, die Dame zu ängstigen«, entschuldigte sich Munárriz.
»Meine Frau spricht nur Chinesisch«, erklärte er. »Sagen Sie, was Sie suchen.«
»Kennen Sie diesen Mann?« Er hielt ihm das Foto hin.
»Nein«, sagte der Ladeninhaber, nachdem er es einige Augenblicke gemustert hatte. »Müsste ich ihn kennen?«
»Er hat bei Ihnen ein Hemd gekauft.«
»Hier kommen viele Leute her«, gab der Mann spöttisch mit einer abwehrenden Handbewegung zurück. »Ich kann mir unmöglich die Gesichter aller meiner Kunden merken.«
»Das hatte ich mir schon
Weitere Kostenlose Bücher