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Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enric Balasch
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und strengen Bußübungen zum Gedenken an das Leiden und den Tod Christi auf das Osterfest vorbereitet, und diese Überlieferung befolgte Antonio Gaudí buchstabengetreu, und zwar mit solcher Hingabe, dass er während der Fastenzeit beinahe gestorben wäre. Auf seinem Bett liegend wurde der berühmte Architekt Stunde um Stunde schwächer, und die Ärzte fürchteten um sein Leben. Nicht einmal sein enger Freund Doktor Santaló hatte ihn überreden können, sich in seinem Bußeifer zu mäßigen. Erst als Bischof Torres y Bages an sein Lager getreten war, hatte sich Gaudí dazu bewegen lassen.

     
    Francisco Gaudí hörte seinen Sohn hereinkommen, löschte das Licht und setzte sich wieder in seinen Lehnsessel. Antonio hängte Hut und Mantel an die Flurgarderobe und kam ins Wohnzimmer.
    »Guten Abend, Vater«, sagte er leise.
    »Willkommen zu Hause, mein Junge.«
    »Wie war Euer Tag, Vater?«
    »Gut, mein Junge …«, sagte der Alte, »gut …« Dabei überlegte er, auf welche Weise er das Thema ansprechen könnte. »Setz dich zu mir, Antonio«, bat er ihn schließlich.
    »Ist etwas, Vater?«, fragte dieser besorgt.
    »Nein, nichts …«
    Antonio holte einen gepolsterten Fußschemel herbei und setzte sich. Sein Vater nahm das kleine goldene Kreuz aus der Tasche seines Arbeitskittels und hielt es ihm vor das Gesicht.
    »Was ist das, Vater?«
    »Das weiß ich nicht«, gab dieser zurück. »Dein Großvater hat es mir auf dem Totenbett übergeben, ganz so, wie es dein Urgroßvater mit ihm getan hatte. Auf diese Weise ist dieses kostbare Kreuz über viele Jahrhunderte hinweg von einer Generation der Gaudís in den Besitz der nächsten gelangt.«
    Antonio Gaudí drehte den Docht der Petroleumlampe etwas höher, um besser sehen zu können, nahm das Kreuz aus den Händen seines Vaters und sah es genau an. Es war T-förmig, etwa so wie das Zeichen der Großmeister des Templerordens oder das Kreuz auf den Krummstäben der Bischöfe. Er hatte es schon auf vielen Schilden und Wappen in der Provinz Tarragona gesehen, dem Land seiner Geburt … Sonderbare Zeichen waren in das Metall graviert, das gelbgolden vor seinen Augen schimmerte. Sie ähnelten den Monogrammen, die ihm im Kloster von Poblet aufgefallen waren.
    »Woher stammt das?«, fragte er.
    »Das weiß niemand, mein Junge«, gab der Vater in gemessenem Ton zurück. »Niemand kann sagen, was die merkwürdigen Zeichen darauf bedeuten.«
    »Und was soll ich damit tun?«
    »Es bis zum Ende deiner Tage aufbewahren«, gab der Vater zurück, den Blick unverwandt darauf gerichtet, »und es vor deinem Tod an deine Nachkommen weitergeben, damit das Geheimnis der Gaudí erhalten bleibt. Eines Tages wird irgendjemand herausbekommen, was die merkwürdigen Zeichen bedeuten, und dann wird sich die Weissagung erfüllen.«
    »Wovon sprecht Ihr, Vater?«, erkundigte sich Antonio beunruhigt.
    »Einer unserer Vorfahren war ein äußerst weiser und kenntnisreicher Mann«, sagte der Alte mit bedeutungsvoller Stimme, »und eines Tages wird sein Geist wiederkehren.«
    »Ihr solltet Euch hinlegen …«
    »Hör mir gut zu, mein Junge«, bat der Vater ihn und hielt seine Hand fest. »Die Herkunft unserer Familie verliert sich im Dunkel der Geschichte. Niemand weiß, woher wir gekommen sind.«
    »So weit ich weiß, aus der Auvergne.«
    »Sicher, mein Junge – aber was war davor? Ist unser Geschlecht dort entsprossen, oder kommen wir aus einem fernen Land? Niemand weiß die Antwort. Sicher ist einzig und allein, dass sich dieses Kreuz seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, im Besitz unserer Familie befindet …«
    »Warum habt Ihr mir nie davon gesprochen?«
    »Du warst noch nicht würdig, das Geheimnis zu erfahren.«
    »Und jetzt bin ich es?«
    »Inzwischen bin ich deiner Treue zum Glauben vollständig sicher«, bestätigte er. In seiner Stimme lag Stolz.
    »Ich verstehe, Vater.« Antonio senkte beschämt den Kopf.
    »Aus der Überlieferung unserer Familie weiß ich, dass die Gaudí Steinmetze waren, bevor sie als Händler, Grobschmiede, Gießer oder Kupferschmiede tätig wurden«, berichtete der Alte, ohne die Hand des Sohnes loszulassen. »Außerdem hat vor langer Zeit einer unserer Vorfahren am Bau des Salomonischen Tempels in Jerusalem mitgewirkt …«
    »Eine hübsche Geschichte«, sagte Antonio seufzend, »aber für so etwas bin ich wohl inzwischen zu alt.«
    »Achte bitte gut auf das, was ich zu sagen habe. Wie du weißt, verfügte König Salomo für den von ihm beabsichtigten Bau des

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