Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Verstehen Sie, warum ich äußerste Vorsicht walten lassen muss, bevor ich mich zu bestimmten Themen äußere? Allein schon aus diesem Grund möchte ich ungern über den Inhalt meiner Unterhaltung mit Begoña befragt werden.«
Munárriz sah das widerstrebend ein. Dem Priester, dem der Ausdruck der Ungläubigkeit auf dessen Zügen nicht entging, führte ihn am Arm zur Calle de la Aduana Vieja. Dort blieb er vor dem Restaurant Santo Domingo stehen und bat ihn einzutreten.
Sogleich eilte ein Kellner herbei und wies ihnen einen Tisch an, der fern vom lauten Betrieb an der Theke stand und an dem es nicht zog. Beides war dem Priester sehr wichtig.
»Darf ich Ihnen etwas empfehlen?«, fragte Hochwürden Ramírez und schob zugleich die Speisekarte beiseite, ohne sie anzusehen.
»Gern.«
»Anselmo«, wandte er sich an den Kellner, der schreibbereit dastand, »habt ihr heute dicke Bohnen mit Blutwurst und chorizo ?«
»Ja, und sie sind delikat.«
»Auch geschmortes Rebhuhn?«
»Sie finden in der ganzen Provinz Soria kein besseres«, beteuerte der Mann. »Erst vorige Woche geschossen.«
»Was halten Sie davon?«
»Ich schließe mich Ihrer Wahl bereitwillig an.«
»Also bringen Sie das.«
Der Kellner nahm die Bestellung auf.
»Finden Sie das als Mittagessen nicht ein bisschen reichlich?«, fragte Munárriz zögernd.
»Bei der Kälte verbrennt man die Kalorien ruckzuck wieder«, hielt der Priester dagegen. »Außerdem sind Sie noch jung und müssen kräftig essen. Sagen Sie ja nicht, dass Sie einer von den jungen Männern sind, die sich ausschließlich von Grünzeug ernähren, ins Fitness-Studio gehen, sich die Brust enthaaren und Faltencreme verwenden«, fügte er mit unüberhörbarer Missbilligung hinzu.
»So wenig Grünzeug wie möglich«, ging Munárriz auf den scherzenden Ton ein. »Mein Fitness-Studio ist schon seit Jahren geschlossen, ich bin mit unbehaarter Brust zur Welt gekommen, und die einzige Creme, die mir zusagt, ist Crème brûlée .«
Hochwürden Ramírez lachte und wirkte dabei zum ersten Mal entspannt. Der Kellner trug den ersten Gang auf und stellte ein Körbchen mit reichlich Brot sowie eine Flasche roten Arzuaga Gran Reserva auf den Tisch. Der Priester fischte mit dem Löffel ein Stück chorizo und einige Bohnen aus dem Topf und führte ihn zum Mund. Er kaute eine Weile, spürte dem Geschmack der Paprikawurst nach und nickte dann billigend. Anschließend nahm er das Glas, in das der Kellner etwas Wein gegossen hatte, hob es so behutsam an die Lippen wie den Kelch der Eucharistie, nahm einen kleinen Schluck, wälzte ihn prüfend im Mund und nickte bestätigend. Mit zufriedenem Lächeln zog sich der Kellner zurück.
»Könnten Sie mir etwas mehr über die Kragsteine und die Rosette der Kapelle von San Bartolomé sagen?«, begann Munárriz, nachdem er seinerseits einen Löffel vom ersten Gang gekostet hatte.
»Gern. Das geht am besten an Ort und Stelle. Ich wollte Ihnen ohnehin vorschlagen, dass wir dort hinfahren. Was man sieht, versteht man besser.«
»Ist es weit?«
»Etwa siebzig Kilometer. Eine Spazierfahrt.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich möchte Ihnen nicht noch mehr zur Last fallen.«
»Sie sind auf der Suche nach der Wahrheit im Zusammenhang mit Begoñas Tod, und ich würde bis ans Ende der Welt gehen, um Sie dabei zu unterstützen«, beschied er ihn.
»Zwar ist es meine Aufgabe, alle Spuren zu verfolgen«, sagte Munárriz. »Wenn nun aber gar nichts dabei herauskommt, dass Sie mich zu der Kapelle bringen?«
»Sie glauben mir wohl nicht.«
»Nehmen Sie es mir bitte nicht übel«, gab Munárriz leicht beschämt zurück. »Aber wenn jemand von den Templern spricht, vom Gral und von Alchemisten, kommt mir das ein wenig … nun ja, märchenhaft vor.«
»Tatsächlich?«
»Ja … Andererseits muss ich gestehen, dass ich über diese Dinge kaum etwas weiß.«
»Gut«, gab Hochwürden Ramírez mit vollem Mund zurück. »Machen wir einfach mal die Probe aufs Exempel. Was halten Sie davon?«
»Wie Sie wünschen.«
»Diesmal werde ich die Fragen stellen«, sagte der Priester mit feinem Lächeln. »Was haben Sie am Portal gesehen?«
»Eine Rosette, Archivolten …«
»Ich meine«, verbesserte er sich, »was haben Sie in den Darstellungen gesehen?«
»Die Madonna, Engel, die Evangelisten, einzelne Szenen aus der Schöpfungsgeschichte.«
»Das hatte ich befürchtet.« Der Priester nahm einen Schluck Wein. »Fangen wir einmal mit der Rosette an«, sagte er, fest
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