Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Vergleichbares?«
»Etwas Vergleichbares?«, sagte Hochwürden Ramírez mit breitem Lächeln. »Kenner der hermetischen Lehre halten diese Wallfahrtskapelle für einen der bedeutendsten Orte der Initiation auf der ganzen iberischen Halbinsel. Sie sehen in ihr eine magische, mystische, wenn nicht gar heilige Enklave …«
»Wieso das?«
»Weil sie Teil der bedeutenden Lehre des Templerordens ist, des weisesten aller geistlichen Ritterorden, den es je gegeben hat.«
Der Kellner näherte sich, und der Priester verstummte. Auf keinen Fall sollte jemand, der ihn kannte, mitbekommen, wie er Dinge vortrug, die von der Amtskirche verdammt wurden. Munárriz war inzwischen überzeugt, dass der Mann in der Einsamkeit seiner Kirche die Geheimnisse der Alchemie und sonstiger esoterischer Lehren gründlich studiert und sich mit apokryphen Schriften beschäftigt hatte, kurz gesagt, mit Büchern, die nicht zum Kanon der römischen Kirche gehörten und damit im Widerspruch zu ihrer Glaubenslehre standen. Diese hermetischen Werke beschäftigten sich mit Möglichkeiten, auf den menschlichen Geist einzuwirken oder Mineralien auf wunderbare Weise umzuwandeln.
»Hören Sie«, setzte der Priester wieder an, als hätte er in den Gedanken seines Gastes gelesen, »Sie sollten mich jetzt keinesfalls für schwach im Glauben an Jesus Christus halten. Meine Suche ist nichts als ein weiterer Weg, von dem ich hoffe, dass er mich zur absoluten Wahrheit führt, die den Menschen wahrhaft frei macht und Gott näherbringt. Von dieser Wahrheit spricht der Psalmist, wenn er sagt: ›Sende Dein Licht und Deine Wahrheit. Sie sollen mich leiten, mich bringen zu Deinem heiligen Berg und Deinen Wohnungen‹.«
Der Kellner trug die geschmorten Rebhühner auf, wünschte »Guten Appetit« und zog sich zurück. Der Priester langte herzhaft zu. Munárriz, der seinem Beispiel folgte, stellte fest, dass ihm das zarte und saftige Fleisch förmlich im Munde schmolz. Einfach köstlich. Ganz offensichtlich verstand sich Hochwürden auch auf die weltlichen Freuden.
»Was wissen Sie über die Templer?«, fragte er jetzt seinen Gast.
»Ehrlich gestanden nur wenig. Was ich in irgendeinem historischen Roman gelesen habe. Ein geistlicher Ritterorden, der die Heiligen Stätten beschützte, den Gral hütete und von einem französischen König verfolgt wurde.«
»Dann würde ich Sie gern genauer ins Bild setzen, wenn Sie gestatten«, sagte der Priester. »Den Orden der Templer oder Tempelherren hat um das Jahr 1119 eine Gruppe französischer Ritter unter der Bezeichnung Arme Ritter Christi ins Leben gerufen. Einer von ihnen war dessen späterer erster Großmeister, Hugues des Payens. Da die meisten Kreuzritter inzwischen nach Europa zurückgekehrt waren, hatten es sich diese Männer zur Aufgabe gemacht, die in großer Zahl ins Heilige Land strömenden Pilger zu beschützen. Vor allem aber verteidigten sie den als outremer bezeichneten Besitz des christlichen Abendlandes dort gegen die ›Ungläubigen‹. Schon bald überließ ihnen der König von Jerusalem, Balduin II., Gebäude dort, wo einst Salomos Tempel gestanden hatte. Fortan nannten sie sich Ritter vom Tempel oder eben Tempelritter. Sie trugen einen weißen Umhang mit einem roten Kreuz darauf und lebten weitgehend nach der Regel des Zisterzienserordens.«
»Hat den nicht Bernhard von Clairvaux gegründet?«, warf Munárriz ein.
»Sehr gut«, lobte ihn der Priester. »Gestatten Sie, dass ich hier ein wenig abschweife, um Ihnen eine merkwürdige Geschichte zu erzählen.« Während sich Munárriz sein Rebhuhn weiter schmecken ließ, berichtete der Priester: »Nachdem der heilige Bernhard beim Konzil von Troyes die Grundlagen des neuen Ordens festgelegt hatte, arbeitete er einige Jahre später eine Regel mit zweiundsiebzig Artikeln aus. Man kann darin eine Huldigung an die neun Ritter erkennen, die diesen Orden im Heiligen Land gegründet hatten, denn die Quersumme von zweiundsiebzig ist neun.«
»Das heißt, alles hat eine doppelte Bedeutung.«
Ramírez nickte.
»Gerade deshalb möchte ich Ihnen bestimmte Einzelheiten über die Templer mitteilen, damit Sie die Symbolik von San Bartolomé besser verstehen.«
»Sehr gern.«
»Schon bald wurde der Orden durch die ihm von Gläubigen gemachten zahlreichen Schenkungen und seine Erfolge bei – genau genommen unzulässigen – Geldgeschäften zu einer wirtschaftlichen Macht, mit der man rechnen musste. Damit gewann er großen Einfluss auf die Geld- und Warenströme
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