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Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enric Balasch
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T-förmiges Kreuz enthielt.
    »Was ist das, Vater?«
    »Ich weiß nicht, Bernard«, gab dieser zurück. »Es ist schon seit Jahrhunderten im Besitz unserer Familie. Du musst es sorgsam hüten, bis zu dem Tag, an dem du es an deine Nachkommen weitergibst«, brachte er mühsam heraus. »Nimm das Geheimnis der Gaudí mit denselben Worten entgegen, mit denen mein Vater es mir einst anvertraut hat: ›Das Kreuz ist wichtiger als dein Leben‹ .«
    »Gewiss, Vater«, versprach er.
    »Und schwöre mir, dass du dies verfluchte Land verlässt.«
    »Wohin könnte ein armer Steinmetz wie ich schon gehen?«
    »Nach Katalonien …«, murmelte der Alte wie unter einer Eingebung. »Nach Tarragona …«
    Bernard Gaudí schwieg.
    »Schwör es mir, mein Junge …«, verlangte der Vater mit letzter Kraft.
    »Ich schwöre es Euch, Vater«, sagte Bernard, doch der Alte konnte es nicht mehr hören.
    Mit einer seiner blutbedeckten Hände umklammerte Bernard Gaudí das Kreuz, während er dem Vater mit der anderen die Augen schloss. Die Tränen des Schmerzes und der Ohnmacht, die ihm gleich darauf aus den Augen stürzten, wuschen ihm den Ruß vom Gesicht und fielen als schwarze Tropfen zu Boden.

     
    Nie erfuhr Bernard Gaudí, warum er dem Vater hatte schwören müssen, das Land seiner Geburt zu verlassen, auch wenn ihm dieser an so manchem Abend beim Schein des wärmenden Herdfeuers sonderbare Geschichten über die Herkunft der Familie Gaudí berichtet hatte, über Vorfahren, die an der Errichtung bedeutender und prächtiger Bauwerke beteiligt gewesen waren. Der erste Gaudí, hatte er voll Stolz erzählt, habe sogar am Bau des salomonischen Tempels in Jerusalem mitgewirkt, für den Hiram aus Tyros das Material geliefert hatte. Leider, hatte er geklagt, sei er selbst zu alt, um neue und ihn bereichernde Abenteuer zu erleben. Gern wäre er nach Katalonien gezogen, dem »Land der Verteidiger von Burgen«, wo die Tempelritter ihre schützende Hand über gute Steinmetze hielten, wie er einst aus dem Mund von Zunftgenossen erfahren hatte. Es war Pierre Gaudí nicht vergönnt gewesen, katalanischen Boden zu betreten und damit die Erfüllung seines Traumes zu erleben. Er nahm so manches Geheimnis mit ins Grab, starb aber in der Gewissheit, dass sein Herzenswunsch durch seinen Sohn in Erfüllung gehen werde.
    Für Bernard Gaudí bedeutete der Fortgang von Saint-Flour den Beginn eines in jeder Hinsicht neuen Lebens. Die englischen Krieger hatten das wenige Gut geraubt, das es im Hause gab, und alles Übrige war ein Raub der Flammen geworden. Mit nichts als seinen Händen und den Kenntnissen seines Berufs musste er ganz von vorn beginnen und sich alles neu erarbeiten. Schon immer waren die Vorfahren der Gaudí auf der Suche nach einem besseren Leben von Ort zu Ort und von Land zu Land gezogen.
    Immer wieder sah er das Kreuz an, das ihm der Vater anvertraut hatte, und sagte leise den Satz vor sich hin: » Das Kreuz ist wichtiger als dein Leben .« Da auf seinem langen Weg nach Tarragona zahlreiche Gefahren drohten, gebot es die Klugheit, das Kreuz zu verstecken, um es zu bewahren. Im Flussbett der Ander suchte er nach einem schönen runden Kiesel, der groß genug war, das Kreuz aufzunehmen. Er entschied sich für einen marmorierten Stein, um ihn besser von anderen unterscheiden zu können, und zerlegte ihn mittels seines Werkzeugs in zwei Stücke von gleicher Größe, die er aushöhlte, bis die Aussparungen groß genug waren, das Kreuz aufzunehmen. Er legte es hinein, klebte die beiden Hälften mit einer Mischung aus Baumharz und Steinpulver so zusammen, dass die Nahtstelle beinahe unsichtbar war, und steckte den Stein in seinen Knappsack. Nach einem letzten Gebet an den Gräbern von Vater und Schwester brach er in eine ungewisse Zukunft auf.

     
    Bernard Gaudí zog über die Berge des Aubrac südwärts, der Stadt Béziers entgegen. An den ersten Tagen kam er rasch voran, denn er kannte die Gegend gut. Bei Einbruch der Nacht bereitete er sich in leerstehenden Schutzhütten von Schäfern oder Fallenstellern ein Ruhelager, oder, wo es keine solchen gab, in einer Höhle oder unter einem Felsvorsprung. Bevor er sich schlafen legte, versteckte er den Flusskiesel, der das Kreuz barg, in einem hohlen Baum oder einem Gebüsch an einer Stelle, wo er ihn leicht wiederfinden konnte, mitunter auch im Wurzelwerk größerer Pflanzen. Wenn ihm Fremde begegneten, ließ er ihn unauffällig vor seine Füße fallen – immerhin war es möglich, dass es sich um Banditen

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