Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Nummer niederschrieb. »Ich ruf ihn gleich an. Vielleicht weiß er ja was.«
»Halt mich bitte auf dem Laufenden.«
Francisco Bonastre beobachtete, wie sein Mobiltelefon leise surrend langsam über die Platte seines Schreibtischs wanderte. Es sah aus, als liefe eine riesige metallene Küchenschabe über die glatte Fläche.
»Ausgerechnet jetzt! Den ganzen Vormittag hat kein Mensch angerufen.«
Falls es ein Kunde war, konnte es lange dauern. Dabei wollte er doch gerade zum Essen gehen! Er warf einen Blick auf die Anzeige. Die Nummer, die dort aufblinkte, kam ihm bekannt vor. Er sah auf Munárriz’ Visitenkarte, die auf dem Schreibtisch vor ihm lag, und nahm das Gespräch an.
»Guten Tag, Inspektor«, begrüßte er ihn.
»Sie wollten mit mir sprechen?«
»Ja. Wo waren Sie?«
»Drei Mal dürfen Sie raten.«
»In Soria«, versuchte Bonastre sein Glück. »Bei Hochwürden Ramírez.«
»Volltreffer! Der Mann ist eine Wucht.«
»Begoña hat gesagt, er sei so eine Art Guru auf dem Gebiet der Kunstgeschichte.«
»Damit hatte sie hundertprozentig recht«, teilte ihm Munárriz mit. »Sie haben angerufen. Was wollten Sie?«
»Hier ist etwas geschehen, was Sie möglicherweise interessiert …«
»Und zwar?«
»Als ich gestern meine Post aus dem Briefkasten geholt habe«, sagte er, »war ein Umschlag mit einem Gedichtband dabei …«
»Entschuldigung«, unterbrach ihn Munárriz. »Was ist daran Besonderes?«
»Normalerweise wäre das nichts Besonderes. Aber das Buch kam von Begoña.«
»Was?«, stieß Munárriz fassungslos hervor. »Sind Sie sicher?«
»Ich würde ihre Handschrift unter einer Million anderer erkennen«, sagte Bonastre im Brustton der Überzeugung. »Das ist aber noch nicht alles. Als ich es durchgeblättert habe«, fuhr er mit einer Stimme fort, der man nach wie vor die Verblüffung anhörte, »bin ich auf einen kleinen Schlüssel gestoßen …«
»Wozu gehört der?«
»Genau das wüsste ich selbst auch gern.«
»Wir müssen uns treffen.«
»Würde Ihnen vier Uhr bei mir passen?«, schlug Bonastre vor. »Haben Sie meine Anschrift?«
»Ja. Aber sicherheitshalber sag ich sie noch mal, für den Fall, dass ich etwas falsch notiert habe.« Er legte den Hörer hin, holte seinen Notizblock hervor, nahm den Hörer wieder auf und las ab: »Paseo de la Bonanova 26, fünfter Stock.«
»Das ist ziemlich genau an der Ecke zur Calle Mandri.«
»Dann also bis um vier.«
An den holzgetäfelten Wänden im mit Designermöbeln eingerichteten Vestibül des Gebäudes am Paseo de la Bonanova hingen Originalstiche. Da der Pförtner nicht hinter seiner Theke aus rosa Marmor saß, konnte Munárriz gleich den Aufzug nehmen, ohne große Erklärungen abgeben zu müssen. Im fünften Stock gelangte er in einen kleineren Vorraum, in dem ihm als Erstes ein Kelim mit geometrischen Motiven und eine Mahagonikommode mit vergoldeten Bronzebeschlägen ins Auge fiel, auf der eine Keramikvase mit frischen Blumen stand. Ganz offenkundig enthielt das Haus Luxuswohnungen. Er drückte auf die Klingel an der unübersehbar gepanzerten Tür, und Bonastre öffnete. Mit den Worten »Bitte treten Sie näher« hieß er Munárriz willkommen.
Während sich dieser umsah, wobei er feststellte, dass nahezu alle Möbel antike Stücke waren, lobte er den Geschmack seines Gastgebers.
»Für die Einrichtung war Begoña zuständig. Sie hatte eine ausgesprochen künstlerische Ader und war äußerst geschmackssicher.«
Bonastre führte den Besucher in einen kleinen Wohnraum, in dem eine Plastik mit dem Titel Porträtbüste eines Jünglings stand. Während Munárriz in dem ihm angebotenen Ledersessel Platz nahm, las er auf einem Schild an der Plastik den Namen Franz Hagenauer. An den Wänden und sogar an der Zimmerdecke sah er Bewegungsmelder, Bestandteile eines ausgeklügelten Alarmsystems, das man zum Schutz der wertvollen Kunstgegenstände installiert hatte. Die Luft im Raum schien förmlich nach Luxus zu riechen.
Bonastre nahm ihm gegenüber Platz und erklärte, dass die Einrichtung, ob Sessel, Lampen, Tische, Schränke, Kommoden und so weiter von älteren und neueren Kunsthandwerkern und Designern stamme. Die Kommode im Vorraum beispielsweise sei eine Arbeit Benjamin Goodisons aus dem 18. Jahrhundert. Die großzügige Zuwendung, die Begoñas Vater ihr mit sozusagen schweizerischer Pünktlichkeit Monat für Monat überwiesen hatte, habe es ihr ermöglicht, die Stücke auf internationalen Versteigerungen nach und nach zu erwerben.
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