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Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enric Balasch
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hegten Richter keine übertriebene Sympathie für Journalisten, von denen es dort in den nächsten Minuten ohnehin wimmeln würde. Nur eine Einzelheit wollte Mabel noch in Erfahrung bringen.
    »Señor Estivill!«, rief sie, um den Beamten auf sich aufmerksam zu machen, der auch sogleich auf sie zukam. »Ist Ihnen das Motiv für die Tat bekannt?«
    »Woher denn?«, fragte er und hob die Hände.
    »Könnte es sich um eine Abrechnung unter Verbrechern gehandelt haben?«
    »Das könnte ohne Weiteres sein«, räumte er ein. »Ich würde sagen, eine Drogengeschichte«, schob er nach. »Vielleicht war der Mann ein Kurier, der seine Auftraggeber übers Ohr gehauen hat, ein Kleindealer, der ›vergessen‹ hat, seinen Lieferanten zu bezahlen, oder ein Mittelsmann, der den Stoff mehr als branchenüblich verunreinigt hat, um seinen Gewinn zu steigern. In der Drogenszene ist ein Menschenleben nicht viel wert.«
    »Es wäre aber doch auch möglich«, gab Mabel ihre Theorie zum Besten, »dass es jemand war, den man überfallen und der sich zur Wehr gesetzt hat?«
    »Kaum. Sehen Sie sich den Mann doch an: militärischer Haarschnitt, schlecht gepflegte Fingernägel, Kleidung wie vom Flohmarkt, und zu allem Überfluss hatte er sich mehrere Tage nicht rasiert … Der dürfte kaum die Art wohlsituierter Bürger gewesen sein, dem jemand die Brieftasche wegnehmen will.«
    Pascual Arrese drängte zum Aufbruch. Die Kollegen vom Fernsehen rückten mit ihren Kameras und Mikrophonen näher wie ein kleiner Sturmtrupp. Inzwischen stand auch schon ein Zinksarg neben der Leiche. Man wartete wohl nur noch auf den Richter, um sie wegschaffen zu können. Zu viele Leute. Mabel bat den Fotografen, noch einige Minuten zu warten. Sie wollte dem Polizeibeamten eine letzte Frage stellen. Widerwillig erklärte sich Pascual Arrese dazu bereit. Er ging Fernsehleuten am liebsten aus dem Weg, seit er mit Vertretern dieser Sippschaft bei früheren Gelegenheiten heftige Auseinandersetzungen gehabt hatte. Sie waren für seinen Geschmack viel zu hochnäsig, führten sich auf, als müsste jeder nach ihrer Pfeife tanzen, und walzten Einwände oder Widerstand einfach nieder. Verächtlich sahen sie auf Pressefotografen und -journalisten herab, die sie als »Knipser« und »Schreiberlinge« abtaten.
    »Sie könnten mir einen Gefallen tun«, bat Mabel den Beamten.
    »Aber schnell«, riet ihr Estivill, »denn wenn die da erst mal hier sind«, er wies mit dem ausgestreckten Arm auf den Pulk von Fernsehleuten, der sich durch den Sand voranarbeitete, »muss ich denen Rede und Antwort stehen.«
    »Könnten Sie mir das Ergebnis der daktyloskopischen Untersuchung zukommen lassen?«
    Der Beamte strich sich zweifelnd das Kinn, runzelte die Brauen und dachte eine Weile nach.
    »Ich arbeite gerade an einer umfangreichen Reportage über namenlose Tote«, erläuterte sie den Hintergrund ihrer Bitte, die ihm wohl unverschämt erscheinen mochte. »Das daktyloskopische Gutachten würde mir sehr dabei helfen, etwas über das Vorleben des Mannes zu erfahren. Sicher enthält es Hinweise darauf, ob er Spanier oder Ausländer ist, früher schon auffällig geworden war, womöglich mit Haftbefehl gesucht wurde, ob jemand sein Verschwinden gemeldet hat …«
    Estivill nickte zustimmend. Er rief einen seiner Männer herbei und wies ihn an, die Fernsehleute einstweilen nicht näher heranzulassen. Daraufhin bildeten die Beamten einen dichten Kordon um den Toten, während die Fernsehjournalisten bereits laut Fragen formulierten und mit ihren Handkameras etwas einzufangen versuchten.
    »Ich finde Sie sympathisch, Señorita Santamaría …«, sagte Estivill.
    »Señora …«, log sie, um Annäherungsversuche im Keim zu ersticken.
    »Entschuldigung …«, murmelte er verlegen und fuhr dann rasch fort: »Eigentlich darf ich es Ihnen nicht sagen, aber wir haben dem Mann keine Fingerabdrücke abnehmen können.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil es keine gibt.«
    Es war unübersehbar, dass ihn das selbst erstaunte.
    »Ist so etwas überhaupt möglich?«
    »He, Perelló!«, rief Estivill laut, um das Stimmengewirr der Fernsehleute zu übertönen. »Zeig doch der Dame mal die Hände von dem Mann!«
    Der Kriminaltechniker drehte die rechte Hand des Toten um, so dass man deren Innenfläche sehen konnte. Mabel ging in die Hocke und sah, dass sie, wie auch die Fingerspitzen, vollständig glatt war, ohne die Spur von Hautleisten. Das musste für die Polizei ein ziemlicher Schlag ins Kontor gewesen sein, denn diese

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